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Künstler

2018.07.01

Cherry Gehring > PUR

Cherry Gehring

...ist fester Gast einer Kapelle, die zu den erfolgreichsten überhaupt in der deutschen Musikhistorie zählt. Die Geschichte von PUR zu erzählen, könnte jedes Format sprengen. Wir rollen das Feld mal über den leidenschaftlichen Tastenmenschen Cherry Gehring auf und geben uns mit faszinierenden Einblicken zufrieden.
Des Autoren persönliche PUR-Sozialisierung beginnt zu einer Zeit, als uns liebgewordene Radiomenschen vom Schlage eines Koschwitz, Hörig oder Reinke mit sanft-suggestiver Bestimmtheit von der damals überaus totgedudelten Neuen Deutschen Welle wegmoderierten und über einen nicht kurzen Zeitraum englischen Elektropop und nordamerikanische Haarspraymusikanten zu den neuen Häuptlingen erkoren./span>

Die Achtziger lagen künstlerisch also in ihren letzten Zügen, in Seattle holte man zum innovativen Schlag aus und in Deutschland galt gesungene Muttersprache als im Wortsinne uncool, vor allem bei den Superhelden der Adoleszenz, die AFN nicht für einen chemischen Zusatz in Industriesauerkraut hielten. Ja, ja, natürlich gab es Lindenberg, Grönemeyer, Westernhagen, Maffay, mit Nena sogar eine knackige Mittzwanzigerin, deren Schweißbandfaible nicht mal kurzzeitig zu Zweifeln führte. Alles richtig, alles gut, dennoch aber war deutsche Musik auch schon mal deutlich euphorischer begleitet worden.

Der Cousin war es, auf den knackigen Vornamen Uwe hörend, der mir auf einem schnöden Kassettenabspielgerät „Hab mich wieder mal an dir betrunken“ vorspielte. Ich war verblüfft und meine erste Freundin, süß, blond, große Klappe, fand die Stimme von Hartmut Engler toll und irgendwie sowieso alle Songs, die auf den hübschen Alkoholmetapherpremierenhit samt launiger Hook folgten. Es war dann wohl der logische nächste Schritt, Händchen haltend und mit einer quantitativ beachtlichen Delegation im Schlepptau eine mittelgroße Multifunktionslokalität im Hessischen aufzusuchen, um den schwäbischen Neuhelden beim Livemusizieren zu lauschen. Und siehe da, es spielte eine Band auf, die nicht nur zwei Drummer gleichzeitig zu beschäftigten wusste, sondern auch mit einer Präsenz aufwartete, die man zum damaligen Zeitpunkt mit einer dann doch überschaubaren Anzahl an Gigs auf der Erfahrungshabenseite nicht unbedingt erwarten durfte.

Aber wenn es eine Konstante in den PUR-Dekaden gibt, dann die unbesiegbare Spielfreude und sehr hohe handwerkliche Qualität aller Beteiligten. Ein Umstand, der sich bis heute nicht verändert hat. Noch immer füllt PUR jede Halle im deutschsprachigen Europa, macht auch vor Fußballstadien nicht halt. Die öffentliche Rezeption der Mannschaft um den weiterhin charismatischen Frontmann Hartmut Engler hat sich allerdings massiv verändert. Ungeachtet eines laut quiekenden Phrasenschweins muss man nach Intensivrecherche in diesem Kontext zwingend schlussfolgern, dass die Herren erwachsen geworden sind. Wohlgemerkt, erwachsen, nicht müde. Den Verlockungen des Boulevard und Starschnitt-Versprechen erliegt im Hause PUR keiner mehr. Bravo!

Cherry Gehring ist seit nunmehr 16 Jahren Teil dieser deutschen Heldengeschichte. Als fester Gast bereichert er PUR mit seinen nicht hoch genug einzuschätzenden Fertigkeiten an allerhand Tasten und Backing Vocals. Überhaupt ist der freundliche Herr Gehring ein musisch überaus umtriebiger Geselle ohne jedwede Berührungsangst, also, ähem, künstlerische Berührungsangst, selbstredend. Cherry singt und spielt in seiner eigenen Combo, für die er praktischerweise auch als Namensgeber fungiert. Er hat wiederkehrende Soulprojekte und wir haben Big Band-Ausflüge, natürlich gibt es weitere Gastsessions mit illustren Größen wie Bobby Kimball (jaaa, das ist der von Toto) oder Steve Hackett (jaaa, das ist der von Genesis) oder Maggie Reilly (jaaa, das ist die von Maggie Reilly). Nicht verwunderlich ist ob dieser Bandbreite, dass der hart erarbeitete, definitiv pompöse Lebenslauf von Cherry Gehring auch klassische Kunst impliziert, etwa die Händelfestspiele in Halle; was eine schicke Alliteration. Bliebe Comedy. Kann er? Kann er! Zur Jahrhundertwende gründete Multitalent Cherry das Trio „Backbleck“, begleitet von Rezensenten-Lobhudelei und Publikumsgunst.

Es gibt also viel Gesprächsstoff mit dem gerade 53 Jahre jung gewordenen Leidenschaftlichen und dennoch läuft man bei dieser Konstellation - viele spannende, erfolgreiche, bunte, ins Auge springende Projekte beim freundlichen Gegenüber, aber eben auch ein Megabombastsuperact am Start - als neugieriger Journalistenmensch immer Gefahr, einem bestimmten Reflex zu erliegen: Viel zu regelmäßig Bandkram abzufragen und darüber, von quasi pubertärem Voyeurismus getrieben, die gewaltigen Leistungen des Cherry Gehring an anderen lebenslustigen Fronten zu vergessen. Alle Daumen gedrückt, lasset die Reise beginnen. Vielleicht mit PUR? Hier käme an anderer Stelle dann wohl eine Grinsegesicht.

DER WEG VOM "BLOCKFLÖTENKIND" ZU 70.000 ZUSCHAUERN IN DER SCHALKE-ARENA

Seit 1993 besteht enger Kontakt zu PUR, seit 2001 bist Du regelmäßiger Bestandteil der Band; lebst Du Deinen persönlichen Traum als Musiker, oder besser: Künstler?

Ja, ich glaube, das kann ich nur bejahen, mit viel Stolz bejahen. Ich war noch recht jung, als ich Musik für mich entdeckte und mit sehr viel Leidenschaft lebte. Natürlich war es damals schon mein Traum, irgendwann mal vor einem größeren Publikum spielen zu dürfen. Zu dem Zeitpunkt hätte ich auch einhundert Besucher als größeres Publikum akzeptiert (lacht). Dass es aber irgendwann mal 70.000 werden, wie mit PUR in der „Schalke-Arena“, das hätte ich sicher niemals für möglich gehalten. Dafür bin ich jeden Tag dankbar.

Wie kam PUR in Dein Leben?

Der erste Kontakt war 1993. Ich arbeitete in einem großen Musikgeschäft in Stuttgart und hatte insgesamt sehr gute Voraussetzungen für einen Einstieg. Alle denkbaren Umstände passten. Die Jungs von PUR schauten immer mal wieder bei Konzerten meiner und David Hansemanns Band „The Dudes“ vorbei. Sie kannten uns also und unsere Möglichkeiten. Nachdem sich Hartmut Engler den Oberarm gebrochen hatte, unterstützte zunächst David ihn gesanglich. Kurze Zeit später hörte Ingo Reidls (erster Keyboarder von PUR, Anmerkung) Backliner mitten in der „Seiltänzertraum“-Tour auf und Ingo fragte mich, ob ich ihm helfen könne. Relativ schnell kamen dann auch noch Backing Vocals dazu, von „Abenteuerland“ an war ich dann auch auf den Produktionen dabei.

Kleiner gedanklicher Einschub auf Autorenseite, Blick zurück nach vorne sozusagen: Jungs kennen das in einer Jungsvariation, Mädchen entsprechend. Blau und Rosa irgendwie. Eigentlich möchte man immer das Gegenteil dessen tun, was Erziehungsberechtigten so an Vorschlagsgut durch die stirngerunzelten Köpfe schießt. Bei dem einen kommt die Sache mit den ersten Instrumenten früher, bei der anderen später. Sehr selten leider nie. Eines ist aber in aller Regel sicher: Irgendwann rückt die Mama mit der Sprache raus und Papa hat eine spitzenmäßige Idee: „Klavier spielen wäre doch super.“ „Oder Melodika?“ „Der nette Junge aus der Nachbarschaft spielt so toll Trompete; willst du nicht auch mal probieren?“

Es gibt eben Dinge im Leben, die ändern sich nie. Die ersten mehr oder wenigen freiwilligen Schritte auf musischem Terrain gehören sicher dazu. Meistens resultiert Leidenschaft, manchmal Therapien, später dann, wenn Mama nicht mehr die Wäsche macht und unter Papas Tisch nur noch Papas Füße stehen.

Bei einem derart vielfältig veranlagten und hochbegabten Künstler wie Cherry Gehring muss die Sozialisierung doch außergewöhnlich gewesen sein. Oder ist doch was dran am Gott gegebenen Talent? Nachfragen macht häufig Sinn.

Wann hast Du gewusst, dass für Dich nur ein Job, der des Musikers infrage kommt und wie kam es dazu?

Tja, ich bin eines der Blockflötenkinder, eine wirklich furchtbare Erfahrung, auch wenn unser Bassist Joe Crawford jetzt möglicherweise sehr böse auf mich sein wird; er hat Blockflöte tatsächlich studiert. Als meine gepeinigte Lehrerin meinem Vater dann auch noch mitteilte, ich solle es doch mal mit Fußball probieren, da wäre ich für die Musikwelt fast verloren gewesen.

Der Wendepunkt kam dann aber tatsächlich über meinen Vater. Er hat selbst immer Musik gemacht, als Teil eines Trios, später auch alleine. In unserer Familie spielte Musik also eine große Rolle, vor allem aber stand Zuhause eine Hammond-Orgel herum, mit der mich mein Vater irgendwann bekanntmachte.

In der Pubertät spielte ich dann auch Klarinette und kam dort mit Harmonielehre und Noten in Kontakt. Erst im Alter von 15 etwa habe ich mich dann konsequenter auf Tasteninstrumente eingelassen, konkret auf Synthesizer und besagte Orgel. Mein erster Synthesizer war der monophone KORG MS 20. Der MOOG war für mich absolut unerschwinglich und der MS 20 für musikalische Experimente und zum Kennenlernen perfekt. Eine breite musikalische Inspiration kam ebenfalls von meinem Vater. Er brachte mich recht früh mit Schlager, Volksmusik, aber auch den Beatles in Berührung.


Man spürt recht schnell, dass Deine künstlerische Neugier sich überhaupt nicht kontrollieren lässt. Gibt es denn überhaupt so etwas wie eine musikalische DNA von Cherry Gehring?

Ja, sicher gibt es die. Ich möchte es mal versuchen, so zu beschreiben: Musik ist für mich wie eine starke Schwingung und wenn die mich erreicht, mich berührt, spielt das Genre überhaupt keine Rolle. Cherry Gehring Im Gespräch Ein einschneidendes Erlebnis hatte ich 1980 bei einem Gig von AC/ DC in Böblingen. Die haben komplett ohne Keys gespielt, aber diese Konzerterfahrung hat mich aus den Schuhen gehauen. 1984 durfte ich dann erstmals Stevie Wonder live erleben: Diese Melodien, dieser Groove, diese Stimme, Wahnsinn! Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Im vergangenen Jahr waren es die Jungs von Coldplay, Chris Martin und seine Kumpels. Auch dieses Konzert war absolut großartig. Du kannst also sehen: Der Rocker trifft den Soulmenschen auf einem Popkonzert. Diese Genres begeistern mich gleichermaßen, grundsätzlich begegne ich jedem Musiker und seiner Kunst absolut offen und ohne Berührungsangst.


KANN ES NEBEN DEM KRONOS ÜBERHAUPT ETWAS ANDERES GEBEN?


Leidenschaft ist bei diesem Menschen nicht zu leugnen, schießt mir durch den Kopf. Im Gegenteil: Cherry Gehring vereint alle diese anziehenden, charismatischen Eigenschaften auf sich, die das Publikum treu sein lassen und Musiker selbst mit höchsten Sympathiewerten in Verbindung bringen. Diese schlichte, ungebeugte Leidenschaft für das eigene Tun und die beinahe kindliche Freude daran. Und selbstverständlich geht es darum, diese Freude mit Menschen zu teilen.

Apropos Leidenschaft: Reden wir über doch ein bisschen über Technik und halten das Überthema PUR noch ein bisschen raus. Spielt die Hardware eines Künstlers im Allgemeinen und die eines Keyboarders im Speziellen überhaupt eine Rolle im Zusammenhang passionierter Musik? Eine imaginäre Frage, die sich zwischen den Zeilen einiger real gestellter Fragen wiederfindet und die Cherry Gehring wohl mit einem ungläubigen Staunen im Blick beantworten würde, hätte ich es gewagt, sie auch wirklich zu stellen. Weiter jetzt, hören, staunen.

Du bist seit geraumer Zeit ein KORG-Fanatic, spielst gleich zwei KRONOS? Was unterscheidet den KRONOS von anderen Keys?

Bei PUR ist meine klar definierte Aufgabe, zusätzliche Key-Sounds zu spielen. Konkret bedeutet dies, dass ich in einem Song oftmals sieben oder acht Sounds vom Pad über Orgel bis zu Synthesizer-Sounds, Effekten, Streicherlinien zum Einsatz bringe; das ist mit dem KRONOS unübertroffen leicht zu realisieren und die Sounds passen sehr gut zu PUR. Andere Sounds wiederum bastle ich komplett selbst, wie zum Beispiel das Synthie-Intro von „Wer hält die Welt“. Oft nehme ich aber auch bestehende Sounds des KRONOS und verändere Sie für die Songs entsprechend unserer Bedarfe.

Sehr gut ist für mich auch die Setlist-Funktion, um schnell zwischen den Titeln umzuschalten oder kleine Korrekturen während des Spielens vorzunehmen. Mein Live-Setup besteht bei PUR aus zwei KRONOS, beide spiele ich autark. Die Keys sind so programmiert, dass bei einem Ausfall, was nebenbei bemerkt noch nie passiert ist und ich auch nicht erwarte, alles auch auf dem jeweils anderen funktioniert; eine ideale Lösung für mich. Den oben platzierten KRONOS verwende ich hauptsächlich für Orgelsounds, die unglaublich gut klingen, und die eben erwähnten Pad-Sounds. Mit dem unteren KRONOS spiele ich Strings, Melotron und Synthie-Sounds.

Im Gegensatz zu anderen Synthesizern funktionieren die KRONOS-Grundsounds oft nur minimal modifiziert schon sehr gut zu unserer Musik.

Kann es neben dem KRONOS überhaupt etwas anderes geben, will man Dich da fragen und tut es schließlich auch?

Haha, ja, das solltest Du wohl. Über Jahre hatte ich nicht nur bei PUR, sondern auch in meinen anderen Bands immer eine alte KORG CX 3 und eine O1W/FD am Start. Aber wie wohl bei jedem Keyboarder ste- KORG MUSIKANT MAGAZIN hen am heimischen Herd sozusagen noch einige Klassiker, eine Hammond, Rhodes, CP 70, Wavestation, M1, Jupiter und ein DX7. Wenn auch zum Teil sauber verpackt... denn jetzt spiele ich KORG KRONOS – der kann das alles!

Das klingt nach vielen Möglichkeiten, was mich nur bedingt wundert. Bist Du denn ein Tüftler, der über neuen Sounds die Zeit vergisst?

Als Keyboarder ist es unumgänglich, sich mit Sound und dem ganzen virtuellen Angebot deines Arbeitsgerätes auseinanderzusetzen. Ich arbeite sehr gerne mit „Reason“ und „Logic“, um Sounds zu kreieren und Ideen festzuhalten. Es ist eine wirklich große Freude, mit dem KRONOS zu experimentieren und zu arbeiten. Ich ziehe es übrigens immer noch vor, eine Bühne mit Hardware zu betreten und da ist der KRONOS im Grunde alternativlos.


KLEINE CLUBS ODER STADIONKONZERTE?


Da ist es gefallen, das Stichwort: Bühne. Das muss die thematische Brücke sein zum spektakulären Brötchenerwerb im Portfolio von Cherry Gehring. PUR steht in mehr als drei Jahrzehnten Bandgeschichte für alle Variationen von Bühne. Die ganz kleinen beschaulichen Bühnchen im Schwäbischen und die spektakulären Orte, deren Bretter von mehreren Trucks herangekarrt werden. Bühnen, die jeder Superstar weltweit ohne jede weitere Einschränkung auch gerne abnicken würde. Die „Schalke-Arena“ beispielsweise. Mit dem Assauer- Vermächtnis verbindet PUR mittlerweile eine intensive Liebe mit starkem Hang zur Wiederholungstat. Könnte daran liegen, dass 70.000 Menschenkinder überaus gerne immer und immer wieder kommen zu einer Band, die sich nicht neu erfinden muss, um Weiterentwicklung zu vollziehen. So wird es auch 2017 kommen. Übrigens.

Mit PUR hast Du alle Formen eines Gigs erlebt, angefangen bei der Bühnengröße über inhaltliche Schwerpunkte wie Unplugged-Auftritte, unterschiedliche Line-ups. Wo und wie spielst Du am liebsten?

Jede einzelne Variation hat einen Reiz, das ist tatsächlich so. Wenn wir in einem dieser ominösen Clubs, von denen immer alle Musiker reden, vor einhundert Besuchern spielen, bekommen wir die Reaktionen des Publikums sehr viel direkter, unmittelbarer, ungefilterter mit, wir sind schlicht und ergreifend mittendrin. In den großen Arenen sieht man leider nicht wirklich viel, wenn das Licht ausgeht. Aber die Energie von 15.000 Menschen im Publikum spüre ich sehr stark. Open Air-Gigs haben etwas von beidem: Oft geht es bei Tageslicht los und man spielt in die Nacht hinein, sodass zumindest am Anfang das Publikum wie in einem Club gut sichtbar ist.

Spielerisch sind es die Arrangements, die sich mit der Location natürlich schon ändern, abhängig davon, ob wir eben akustisch oder mit vollem Besteck spielen.

Nach der bis dato letzten Platte „Achtung“ war die anschließende Tour ein Megaerfolg mit fast einer halben Million Besucher insgesamt. 2017 spielt ihr mit der legendären PUR & Friends-Konzertreihe im September „Auf Schalke“ nur ein Konzert. Was passiert gerade im Hause PUR ohne die Straße? Gibt es neue Songs?

Im Moment erholen wir uns voneinander (lacht!). Wahrscheinlich ist das wirklich so, jeder macht ein bisschen Urlaub, es war im vergangenen Jahr schon eine sehr lange Tour. Die Vorbereitungen für die „Schalke-Arena“, etwa hinsichtlich des Line-up, sind abgeschlossen und jetzt bleibt eigentlich nur noch, sich auf diesen, für uns alle definitiv besonderen Tag zu freuen. Was neues Material angeht, gibt es nie Auszeiten: Ingo, Martin und Hartmut arbeiten permanent an neuen Ideen und Songs. Noch ist alles in der Findungsphase, aber wie ich die Drei kenne, werden sehr gute Songs dabei rauskommen.


KLISCHEES, ANERKENNUNG UND RESPEKT


Du sprichst immer wieder Deine Bandkollegen an, und gerade mit oder auch wegen viel Schalk im Nacken klingt das alles sehr harmonisch, fast nach Familie. Wie viel Zeit verbringt ihr als Band tatsächlich gemeinsam und wie sieht ein typischer Tagesablauf für PUR aus, wenn ihr unterwegs seid?

Es liegt ja in der Natur der Sache, dass man als Band auf Tour viel Zeit miteinander verbringt. Da ist es schon von Vorteil, wenn man sich menschlich richtig gut versteht, was bei uns ohne jeden Zweifel so ist. Vielleicht ist das eben auch so, weil sich jeder hin und wieder Auszeiten gönnt, sonst gehen einem auch irgendwann die Worte aus.

Ein typischer Tagesablauf beginnt mit mehr oder weniger frühem Sport. Die erste Jogginggruppe startet gegen Neun, die zweite gegen Elf und die dritte gar nicht (lacht). Nach einem leckeren Frühstück entspannen wir uns, bis es dann gegen 14 Uhr zum Veranstaltungsort geht, wo sehr wichtige Vorbesprechungen und Interviews anstehen. Es gibt eine Bühnenbegehung, Austausch mit der Crew, Fantermine und ab 19 Uhr spätestens dann eine sehr konzentrierte Vorbereitung auf die Show mit Warmsingen, Einspielen, einem kurzen Nickerchen und dann geht es auch schon auf die Bühne. Kurz vor 23 Uhr treffen wir uns in der Garderobe, schwitzen aus, analysieren den Auftritt und fahren zum Hotel zurück. Meistens warten dort noch eine Suppe und ein Mineralwasser auf uns.

Wieder sorgt Cherry Gehring für ein perfekte Überleitung: Mineralwasser und Suppe an der Hotelbar. Das soll Rocknroll sein? Keine zertrümmerten Gitarren? Keine Groupies? Keine Haschkekse? Alles nur Klischee, auf übelste Weise von Keith Richards und Konsorten über einfältig bis bösartige Journallie in die gierig nach Informationen lechzende Fanwelt gepustet? Ist man als schnöder Musikliebhaber tatsächlich wieder einem Klischee aufgesessen. Spekulieren wir mal auf einen letzten Blick hinter die Kulissen einer latent erfolgreichen Musikkapelle und fragen den Tastenmenschen Gehring nach seinem Umgang mit Klischees und Vorstellungen und Bildern.

Das öffentliche Image von PUR hat sich in den vergangenen 15 Jahren doch spürbar verändert, manchmal landet die Band in einer Schlagerecke, mal glaubt man, eine gewisse Arroganz beziehungsweise auch Ignoranz insbesondere bei der medialen Rezeption ausmachen zu können. Teilst Du diesen Eindruck und wie geht ihr als Band mit dieser Form der Öffentlichkeit um, die sich ja eben überhaupt nicht an abnehmendem Erfolg oder verminderter Akzeptanz beim Publikum festmachen lässt?

Es ist zu vergleichen mit einem weltweit bekannten Fastfood-Unternehmen: Im Grunde halten alle diese Burgertempel für unmöglich und trotzdem sind die Läden ziemlich selten nicht voll. Mitte der Neunziger, zur „Abenteuerland“-Zeit, waren die Rezensionen oft unter der Gürtellinie, das hat uns ohne Zweifel häufig geschmerzt. Mittlerweile sehen wir Kritiken oder auch allgemein Berichterstattung sehr gelassen.

PUR wird ab und zu immer noch etwas belächelt. Was soll ich dazu sagen? Vielleicht: Geht auf ein Konzert! Schaut es Euch an! Tausende glückliche Menschen singen, tanzen, haben Spaß miteinander und mit uns. Es ist auch heute noch so, dass man an PUR nicht vorbeikommt. Wie sagt man so schön? Diese Band ist Kult, eine Legende.

Natürlich ist und bleibt Musik immer Geschmacksache, was super ist. Anerkennung und Respekt sollte man aber unabhängig vom eigenen Geschmack jedem Künstler und jeder Band entgegenbringen; insbesondere denen, die über einen derart langen Zeitraum erfolgreich gearbeitet haben.


Sprach er und hinterließ viele wahre Worte. Vermutlich summen in seinem Kopf längst neue Weisen von Ed Sheeran und Bruno Mars. Die mag er nämlich gerade. Unter anderem. Es lebe der Funk der Siebziger. Hooray! Es lebe Cherry Gehring, großartiger Typ, genialischer Keyboarder, unbesiegbarer Liebhaber schöner Musik und guter Synthesizer und Keyboards.