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Extras

Künstler

2014.01.01

Arne Augustin > Nena > Andreas Bourani > Olli Schulz

Nenas Keyboarder lieben Landschaft und Hotelzimmerproduktionen


Die beiden Keyboarder bilden schon seit langer Zeit die musikalische Tastenbasis von Nena, sowohl live als auch im Studio. Sie liefern die Sounds und Arrangements, die die erfolgreichen Songs der Ausnahmeinterpretin verlangen. Immer mit auf der Bühne sind Instrumente von KORG.
Gespräch mit Derek von Krogh & Arne Augustin

Erzählt uns doch kurz euren jeweiligen musikalischen Werdegang.

Augustin: Ich habe mit 13 Jahren für fünf Jahre Klavierunterricht genommen und als ich dann die „Mondscheinsonate“ konnte, hab ich aufgehört, weil ich einfach zu faul für Klassik war. Als seinerzeit niemand in der „Schülerband“ meiner Schule die Tasten drücken wollte, habe ich das übernommen. Mit knapp 18 Jahren hab ich nach einigen Demoaufnahmen mit meiner ersten eigenen Band “Rage for Order“ mit ein paar lokalen „Größen“ aus meiner Heimat Leinfelden-Echterdingen meine erste CD in Liverpool als „internationales Projekt“ „Wallflower/The International Dream“ aufgenommen. Mit der nächsten Band „Gallery“ ging es bis in die deutschen Charts nebst Plattenvertrag. Nebenher machte ich bei Derek eine Ausbildung zum Tontechniker und Produzenten, die allerdings speziell im zweiten Jahr hauptsächlich aus Touren mit meiner Band bestand.

Von Krogh: Ich hab mit vier Jahren angefangen, Klavier zu spielen und wollte Konzertpianist werden. Dann brach ich mir in schneller Folge erst den rechten Handwurzelknochen - seitdem spiele ich mit links schneller als mit rechts - und entdeckte danach den Rock’n’Roll. Das war´s dann mit dem Konzertpianisten. Im Nachhinein bin ich ganz froh, denn ich wäre wahrscheinlich ein außerordentlich lausiger Konzertpianist geworden. Als Teenager habe ich meine ersten Recording-Erfahrungen gemacht und befreundete Bands aufgenommen. Das habe ich immer weitergemacht, bis ich mir irgendwann eingestehen musste, dass ich nun hauptberuflich Produzent und Musiker war, ich Wahnsinniger (lacht).



Wie vertreibt ihr euch die Zeit, wenn ihr auf Tour seid und gerade nicht spielt, also im Tourbus sitzt?

Augustin: Die meiste Zeit verbringe ich mit Musikhören und schaue mir die Landschaft an. Manchmal nutze ich auch die im Bus befindlichen Unterhaltungsmöglichkeiten.  Ansonsten ist das Reisen mit Sicherheit einer der interessantesten Aspekte des Berufes und nicht zuletzt ein Grund dafür, dass ich neben Nena mit möglichst vielen Bands möglichst oft in möglichst unterschiedlichen Ländern unterwegs bin.

Von Krogh: Wie es das Schicksal so will, ist während der Tour fast immer irgendeine Produktion und Aufnahme von Nena ganz dringend fertigzumachen und dann wird oft auf dem Hotelzimmer der Laptop noch mal aufgeklappt. In Extremzeiten habe ich auf Hotelzimmern fast mehr Musik gemacht als im Studio.

Spielt ihr „nur“ Keyboard oder auch andere Instrumente?

Augustin: Hauptsächlich bediene ich alles was Tasten hat, es kommt aber auch schon Mal vor, dass ich Drums, Bass oder Gitarre spiele. Meistens überlasse ich das aber Leuten, die das besser als ich können.

Von Krogh: Bei mir ist es umgekehrt, ich spiele zunehmend im Studio auch die anderen Instrumente selbst. Ich bin zwar eigentlich ein ziemlicher Stümper an der Gitarre, aber ich weiß wie man mit der richtigen Attitüde draufhaut. Außerdem kann ich ja ansonsten sehr gut im Nachhinein editieren (grinst). Bass habe ich früher mal jahrelang in einer Hardcore-Band gespielt, deswegen würde ich mich schon zumindest als anständigen Achtelbassisten bezeichnen. Ich kann also gerade alle Zutaten, die man für Rock’n’Roll braucht. Alles, was man nicht dafür braucht, wie schnelle Läufe mit 13-Fingertechnik, kann ich konsequenterweise nicht.


Spielt ihr derzeit auch in anderen Bands?

Von Krogh: Ich bin stolzes Mitglied der „Pragmatics“, eine reine Studioband, aber als solche spielen wir gar nicht so selten und sind schon auf den unglaublichsten Platten mit draufgewesen.  Aber ich bin ja eigentlich „hauptberuflich“ Musikproduzent und so habe ich über die Jahre ziemlich viele Projekte gehabt. Vom bösesten Undergroundlärm bis zur familientauglichen Castingshow-Produktion.

Augustin: Ich spiele noch bei „Mamasweed“, einer Berliner Rockband, bei „Officer I´m high“, einem Bandprojekt, das Nader, Gitarrist bei Nena und ich aus dem Boden gestampft haben und wo wir demnächst unsere erste Veröffentlichung haben werden sowie beim „Klaus Paul Quintett“. Das ist ein befreundeter Sänger und Liedermacher aus Stuttgart.


Seit wann spielt ihr für Nena?

Von Krogh: Das war zum ersten Mal 1994. Es gab Planungen für eine Tour mit Proben und einem „Testkonzert“ vor dem Reichstag in Berlin. Ich war so aufgeregt. Nachdem Nena eine familiäre Pause gemacht hatte, ging es dann 1998 weiter. Seitdem bin ich von gelegentlichen Unterbrechungen abgesehen bis heute dabei, meist als Keyboarder und Programmer, auch mal als Streicherarrangeur und bei der letzten Platte als Produzent.

Augustin: Ich bin seit 2000 dabei, denn da hatte Derek so viel in seinem Studio zu tun, dass er mich zu Nena schickte, wo ich ihn bei dem von Udo Lindenberg organisierten „Rock gegen Rechts“ für vier Shows vertrat. Danach wechselten wir uns immer ein wenig ab und ab der DVD-Aufnahme zur CD „Nena feat. Nena“ waren wir fast immer zu zweit auf der Bühne.

Was ist das Besondere an Nenas Musik?

Augustin: Mich fasziniert am meisten,dass sie es schafft, generationsübergreifende Musik mit deutschen Texten zu kreieren, die ein riesiges Publikum anspricht, ohne sich ins Genre des „Schlagers“ zu begeben.

Von Krogh: Nur bei Nena passiert es an einem Abend, dass sie in bester Happy-Family-Manier vier Dutzend Kinder auf die Bühne holt und die da dann lässt, um am nächsten Abend ganz a la The Who ein bisschen Equipment auf der Bühne zu zertrümmern. Da fliegt dann auch mal der komplette Keyboardständer um und Nena ist im besten Sinne absolut Rock’n’Roll, macht einfach das, worauf sie Lust hat. In der Musik ist das das Gleiche - Nena kann sich den Luxus erlauben, heute karge Elektronik, morgen lauten Gitarrenkrach und übermorgen etwas klassisch Arrangiertes mit Orchester zu machen. Dementsprechend ist der Job alles andere als eindimensional.


Arbeitet ihr mit Click während der Show?

Von Krogh: Meistens.

Augustin: Das hängt von der Band ab und ist ein Thema, über das man fast schon ein Buch schreiben könnte. Prinzipiell arbeite ich viel lieber ohne Click, da Tempo einen nicht zu unterschätzenden Teil der Dynamik eines Songs/Konzertes darstellt. Allerdings erfordern gewisse Ansprüche in Bezug auf die Live-Umsetzung von Produktionen leider manchmal Kompromisse. Bei Nena ist das die Aufgabe des MDs (Musical Director) und auch der muss manchmal auf den Click verzichten.


Wer ist denn für die musikalische Leitung auf der Bühne zuständig?

Augustin: Bei Nena letzten Endes sie selbst, aber es gibt mit Schlagzeuger Van Romaine einen offiziellen MD, der den Takt angibt und außerordentlich ausführliche Erfahrungen im Lesen von Nenas Gestik hat. Die meisten musikalischen Vorschläge kommen aber von der ganzen Band, wobei Derek schon den größten Anteil hat, zumal gerade in letzter Zeit musikalische Neuarrangements quasi im Alleingang von ihm vorbereitet wurden.

Von Krogh: Wir haben viele Titel, bei den die Zuständigkeiten auch wechseln. Das Wichtigste ist allerdings, dass Nena live stets „Arrangementfreiheit“ hat und wenn sie noch eine Extrarunde mit dem Publikum singen will, das auch kann. Die Cues dafür kommen von Van Romaine am Schlagzeug.


Wie viel der Show wird live gespielt und was kommt aus der Konserve?

Augustin: Bei Nena wird der allergrößte Teil live von der Band gespielt, Ausnahmen bilden Drumloops, die vom Band kommen sowie diverse Streicherarrangements und einige Gesangseffekte. Hier kommt der Click zum Tragen, denn erst so wird auch live ein Rückwärtshall möglich.


In wie weit seit ihr in die Entstehung der Songs von Nena mit eingebunden?

Von Krogh: Das ist immer anders. Im Moment bin ich bei den Songwriting-Sessions öfters mal dabei. Mal gebe ich Input, mal aber auch nicht. Wenn ich da mit Uwe Fahrenkrog und Nena sitze, die beide schon zig große Hits geschrieben haben, bemühe ich mich, wirklich nur dann was zu sagen, wenn ich der Meinung bin, dass ich eine gute Idee habe (grinst).

Augustin: Beim letzten Album mit eigenen Songs von ihr hat sie die ganze Band für eine knapp dreiwöchige Jamsession auf Mallorca eingeladen und alle haben an den Songs mitgearbeitet.


Ist das, was ihr jetzt macht, die Erfüllung eines Traumes?

Augustin: Auf jeden Fall, ich bin immer wieder aufs neue dankbar, dass ich mit dem, was mir am meisten Spaß macht und ich wahrscheinlich somit auch am besten kann, meinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Von Krogh: Geht mir genauso.


Wie lebt es sich im Umfeld eines Stars? Fühlt ihr euch als gleichwertige musikalische Mitglieder einer Band oder ist es eher so, dass es Nena gibt und dann noch die Band?

Von Krogh: Im Umfeld eines Stars lebt es sich letztlich genauso wie sonst auch. Die Band ist aber schon ganz klar „Nenas Band“ - da gibt es keine Befindlichkeiten und Egospielchen. Am Ende des Tages geht es ausschließlich darum, dass Nena zufrieden ist. Nun spielen wir ja nicht erst seit gestern zusammen und wir beeinflussen sie natürlich auch. So ist es zum Beispiel ein altes Ritual, dass Nena immer wieder einen bestimmten Song beim Soundcheck aus dem Programm werfen will und dann ruft die ganze Band solange „Oooch!“ ins Mikro, bis sie „entnervt“ beschließt, den Song für diesen Abend - aber nur noch für diesen Abend - doch noch einmal zu spielen.

Das Tolle ist, dass man im Schlepptau einer so prominenten Künstlerin zwar einerseits viel von dem ganzen Glitzer abbekommt, schnuffige Hotels, bisweilen große Bühnen, Tourbusse mit Kuschelbetten und so, andererseits aber rein gar nichts von dem Zusatzstress, den solche Prominenz mit sich bringt. Auf der Straße wird natürlich ausschließlich sie angestarrt und wir sind fein raus. Eigentlich ganz schön gemein (lacht).

Welche Instrumente setzt ihr derzeit ein?

Augustin: Bei Nena habe ich die KORG M3 mit Radias im Einsatz. Ab und an mal die microKONTROL, die hat viele Regler, die sich recht einfach multifunktional zuweisen lassen, sowie den microKORG, der hat schöne und lustige Presets und einen recht satten Bassound.

Von Krogh: Live spiele ich bei Nena ebenfalls eine M3 mit Radias und manchmal auch einen Laptop mit Plug-ins. Im Studio gibt es natürlich noch weitere Instrumente und einen wunderschönen, über 100 Jahre alten Bechstein-Flügel. Sowie neuerdings eine ständig wachsende Sammlung an kleinen Trashkeyboards, an denen in der einen oder anderen Form böses Circuit-bending verübt wurde. 90 % aller Sachen, die ich im Studio mache, spiele ich auf dem neben dem Monitor liegenden, kleinen microKONTROL. Minitasten rulen einfach, das hat scheinbar bis heute niemand außer KORG begriffen.


Was mögt ihr an der M3 und Radias?

Von Krogh: Ich bin traditionell eigentlich eher ein „Workstation-nicht-Möger“, aber bei der M3 stimmen erstmals auch für meinen Geschmack angenehm viele Sachen.

Augustin: Das ist für mich im Augenblick die beste All-in-one-Lösung mit vielen brauchbaren Sound und der Option auf Sample-Nutzung.

Von Krogh: Und endlich mal eine wirklich konsequente Einbindung von virtuell-analoger Synthese direkt in einer Workstation, bei der man innerhalb eines Splits oben „ROMpling“, in der Mitte Sampling und unten virtuell-analoge Synthese haben kann. Alles aus einem Gerät ohne „Moduswechsel“ oder andere Hürden. Außerdem gefällt mir, dass man 16 Parts in eine Combi packen kann. Hätte man weniger, müsste man dann doch immer wieder zwischen Songpatches wechseln und das würde nerven. Durch das hochklappbare Rack-System haben die Keyboards auch wieder so einen verschrobenen Charme.


Welches Gerät nehmt ihr für Piano-Sounds?

Augustin: Derek hat ein tolles Klavier-Soundpreset auf der M3 gebastelt, das wirklich gut ist.

Von Krogh: Mit KORG und dem Pianosound ist das ja so eine Sache (lacht), das ist ja schon fast eine philosophische Frage. Ich nehme das dumpfste Werkspiano und filtere das dann noch mal deutlich dunkler. Man kann in der M3 wirklich was Schönes basteln. Noch mit ein bisschen Raum und den Raum vor einen leicht dröhnenden Kompressor schalten. Denn wenn man Klavier aufnimmt, ist der Raumanteil ja schon auf den Mikros und somit vor dem Kompressor. Nur so erhält man auch einen glaubwürdigen „Lennon-esken“ Patch.


Benutzt ihr auch die Presets oder habt ihr spezielle Sound-Erweiterungen im Einsatz?

Augustin: Presets vermeide ich, es sei denn, sie sind überzeugend, was schon mal bei einem Rhodes-Preset gut passieren kann.

Von Krogh: Ich bin auch nicht so der Preset-Freund und bastele mir in der „Kennenlernphase“ eines Geräts immer ganz gerne einen kleinen Vorrat an grundlegenden Presets. Also einige Standards plus ein paar analoge Basis-Sounds, von denen ausgehend ich schnell zu Ergebnissen komme. Die Werks-Presets höre ich mir, wenn ich die Geduld dazu habe, auch einmal durch und nehme einige davon, aber oft sind sie mir zu speziell.


Wenn ihr Sounds programmiert, wie geht ihr dabei vor?

Von Krogh: Bei Nena habe ich das Glück, dass ich es geschafft habe, Arne das ganze Sample-Management anzudrehen, das betrachte ich momentan als meine Haupterrungenschaft zum Thema Soundprogrammierung (lacht). Aber um die Frage zu beantworten: Wie wohl die meisten habe ich zwei Wege. Entweder man findet schnell ein ähnliches Preset, von dem aus man weiterprogrammiert oder man nimmt einfach einen Initpatch und baut den Sound von Grund auf neu. Wenn man das Gerät gut kennt, geht letzteres fast schneller. Wir haben uns unsere eigenen Initpatches gebastelt, die schon mit für uns sinnvollem Effektrouting (etwa Kompressor im Masterpatch mit Gain-Controller für „relative Lautstärke“) und zugewiesenen Radias-Stimmen daherkommen.

Augustin: Ich arbeite häufig mit Samples, um auch ohne Click möglichst viel von einer Produktion live umsetzen zu können. Daher fängt bei mir die Arbeit meistens damit an, dass ich in die Mehrspuraufnahmen reingehe und dann erstmal Sounds “einkaufe“. Ich mute alles was live gespielt wird (Drums, Vox, Bass, Git) und überlege dann, was vom Rest wie spielbar ist und was davon überhaupt live benötigt wird.

Übt ihr noch? Wenn ja, wie und wie oft?

Augustin: Meistens geh ich am Tag vor einer Show/Probe die Songs noch einmal durch, aber mehr, um mich daran zu erinnern, wo wann welcher Sound liegt und wie ich ihn gespielt habe. Leider komme ich kaum noch zum „Üben“ im klassischen Sinne.

Von Krogh: Ich übe nie und das merkt man auch (grinst), zumindest spieltechnisch. Die Songs an sich kenne ich schon aus dem Studio so gut, dass ich sie nicht noch mal üben muss.


Wie macht ihr euch vor Konzerten warm?

Augustin: Gar nicht und spätestens am nächsten Morgen bereue ich es mit Nackenmuskelkater.

Von Krogh: Da geht´s mir ähnlich.