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Extras

Künstler

2018.07.01

Sevan Gökoglu

Als die „University Of Popular Music And Music Business“ 2003 unter dem schicken, ziemlich deutschen Arbeitstitel „Popakademie“ in Mannheim durch das Land Baden-Württemberg gestartet wurde, bestand die durchaus berechtigte Hoffnung, dass sich dieses Projekt als Ausbildungsstätte einen Namen machen könnte. 14 Jahre später sind wir alle ein bisschen älter geworden und hinsichtlich der Akademie schlauer. Der schmucke Bau am Kanal ist seit geraumer Zeit die ultimative Talentschmiede für jedwede Verwendung. Gestandene Musikanten bedienen sich hier ebenso wie Plattenfirmen weit über Mitgesellschafter Universal hinaus, auch andere Dienstleister greifen gerne Absolventen ab. Ganze Kapellen konstituieren sich in „Mannem“, auch Soloprojekte generieren an diesem lauschigen Plätzchen die nötige Energie für einen rauschenden Start in den bunten Kosmos glitzernder Popularmusik.

Wir müssen eine umfangreiche Erfolgsgeschichte konstatieren, die sich seit Gründung da in Naidoo-County vollzogen hat. Die Akademie ist fester Bestandteil der deutschen Szenerie, die man sich angesichts der sonstigen Kennzahlen im deutschen Land doch weitaus größer vorgestellt hätte, ist sie aber nicht. Möglicherweise ist das auch ganz okay so. Die Nashvilles und Austins und San Franciscos und Big Apples unserer Tage flößen der einen oder anderen schüchternen Nachwuchskraft ob ihres schieren Umfangs doch eher mehr Respekt ein, als ein Berufsstart gebrauchen kann. Mannheim ist als Ausbildungsstätte und Ausgangspunkt genau die richtige Wahl: Noch einigermaßen mittig gelegen in Deutschland, nicht Berlin, nicht Hamburg, nicht Köln, nicht Stuttgart, aber jederzeit nah genug dran, um die Vibes der relevanten Bühnen und ihrer Bespieler zu spüren. Gingen wir einen illustren Pool der bekanntesten deutschen Acts, wie es die Industrie gerne nennt, auf der Suche nach Popakademiemitspielern durch, wir würden fette Beute machen, und unser heutiger Protagonist wäre gleich mehrfach vertreten.

Sevan Gökoglu ist gerade 35 Jahre jung. In Zeiten, in denen feuchtfröhliche Botoxpartys die lustigen Tupper- beziehungsweise Dessouszusammenkünfte abgelöst haben und 70 das neue 50 ist - wir assoziieren in diesem Kontext einige Helden deutschsprachiger Unterhaltung, etwa die Herren Lindenberg (tatsächlich 71) oder Westernhagen (knapp darunter) - sind 35 Lebensjahre gefühlt kurz vor der Hochschulreife verortbar. Lange Vorrede, knackiger Sinn: Der freundliche Sevan sieht nicht nur blendend aus, er ist auch noch blutjung. Und vielerlei Tasteninstrumente bedienen kann er sowieso, auf höchstem Niveau, versteht sich. Siehe Ausbildung. Siehe Talent. Siehe Leidenschaft. Die üblichen Verdächtigen.

Es ist ein auf der Hand liegender kausaler Zusammenhang, dass all diese gern gesehenen Parameter zu einer imposanten Referenzliste im Lebenslauf des Herrn Gökoglu führen. Um Xavier Naidoo kommt in Mannheim keiner herum, wie bereits angedeutet. Dieser Sohn der Stadt hat eine Schlüsselposition inne zwischen Rhein und Neckar. Und jeder, der sich ein wenig intensiver mit Musik beschäftigt und die Gelegenheit hat, Begleiter der besten männlichen Stimme hierzulande zu sprechen, weiß, dass „Schlüsselposition“ nicht einmal im Ansatz negativ konnotiert ist: Naidoos Talent ist sehr respektiert, sein Netzwerk gerne genutzt und um seine Großzügigkeit ranken sich etliche Geschichten. Gleichwohl hat Xavier Naidoo einen immens hohen Anspruch an seine festen Mitmusikanten und Subs. Von ihm ausgewählt zu sein, für ihn spielen zu dürfen ist ohne Zweifel einem Ritterschlag gleichzusetzen. Es ist ein Türöffner für weitere einträgliche Standbeine und musikalische Projekte. Da spielt es keine Rolle, dass die böse Journallie dem Mannheimer Mastermind gerne zweifelhafte Geschichten ans Knie tackert und ihn zu einer der am stärksten polarisierenden Bürger dieses Staates machen. Xavier Naidoo ist musikalisch unumstritten, sein Handwerk zu Recht über nationale Grenzen hinaus gelobhudelt und vielfach prämiert. Als Entdecker und Förderer ist er eine Bank. Auch Sevan Gökoglu hat diese Option sicher nicht geschadet.

Dies sei uneingeschränkt auch für andere Jobs festgestellt. Rolf Stahlhofen etwa oder den legendären Edo Zanki. Was haben wir diesem Mann nicht alles für großartige Produktionen zu verdanken, Ideen, Entwicklungen, und Songs, was Edo Zanki der Welt an Songs geschenkt hat, ist bemerkenswert und trotz Lebensgeschwindigkeit niemals vergessen. Für Edo Zanki spielen zu dürfen ist perfekt, auch für Sevan Gökoglu. Dass neben Naidoo und Stahlhofen und Zanki auch der Name Tawil in der Gökoglu’schen Kundenliste auftaucht, könnte man als findiger Beobachter unter folgerichtig verbuchen. Dass wir den Herrn in seiner Rolle als festes Mitglied der Stefanie Heinzmann-Band treffen und gleichzeitig im Hinterkopf haben, dass gleicher Status für den nicht minder erfolgreichen Sasha formerly known as Dick Brave formerly known as Sasha gilt, geht zweifelsohne als vorläufige Kulmination für einen hochveranlagten, freundlichen, geduldigen und, wie sich dann herausstellen sollte, sehr eloquenten und wortwitzigen Künstler durch.

Recherchiert man im Vorfeld eines Interviews mit Sevan Gökoglu über seinen Gesprächspartner, wie es einem jeden seriösen Journalisten einst gelehrt wurde, findet man schnell auffällige Schwärmereien im Anschluss an direkte Erfahrung mit dem Keyboarder. Von „Virtuosität“ ist die Rede, einer „beeindruckenden Körpersprache“ oder „harmonischer Raffinesse“. Reichlich verfügbare Arbeitsnachweise im Bewegtbildformat unterstreichen die vielen freundlichen Worte rund um Sevan Gökoglu. Wir treffen hier auf einen bis zur letzten Faser seines Körpers passionierten Musiker. Natürlich ist Beruf Berufung, hier lebt einer seinen Traum, sein Talent, seine Liebe. Dass wir in mehreren Begegnungen und ziemlich lauschigen Gesprächen mit Sevan auch über Opel Astras reden, verdeutlicht, dass hier einer noch viel erleben wird, aber sicher nicht den Verlust der eigenen Bodenhaftung.

Wir vermerken Bescheidenheit in unserer umfangreichen Rechercheliste und starten dann mal durch: Wir wollen viel wissen von Sevan Gökoglu und der ist willens, Antworten zu geben, Zeit zu investieren, zu erklären. Vor allem letzteres kann er herausragend gut. Er ist halt ein Kapellmeister in seiner ursprünglichsten Bedeutung. Vielleicht nicht in der Stefanie Heinzmann-Band, wo er den MD-Job gerne dem amtlichen Drummer Patrick Fa überlässt. Das aber ist kein Makel oder gespieltes Unterstatement oder überspielte Unzufriedenheit, sondern schlicht Professionalität. Ob mit oder ohne Kapitänsbinde: Sevan Gökoglu ist einer für die entscheidenden Tore in der Nachspielzeit, so was wie frische geschlagene Sahne auf dem ohnehin schon leckeren Eis. Und ob er Eis mag haben wir dann tatsächlich vergessen zu fragen. Mist.

Foto: Marc Krischak
www.kret-studios.de

Hallo Sevan, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für uns nimmst. Bitte verorte uns kurz, wo sind wir eigentlich?

Das mache ich sehr gerne. Wir sind heute im hessischen Friedberg und stehen in einem Zirkuszelt auf einer Bühne von Stefanie Heinzmann.

Eine eher weniger klassische aufgebaute Konzertbühne, wie sie jeder vielleicht vermuten würde, weil man das schon mal gesehen hat. Kannst Du uns dieses eher ungewöhnliche Setting bitte kurz erklären? Warum sitzt Du da, wo Du sitzt?

Wir haben hier bei Stefanie Heinzmann einen Bühnenaufbau, der tatsächlich zunächst einmal etwas untypisch ausschaut, aber sehr sinnvoll ist. Das Drumset steht eben nicht mittig hinten, wie es klassischerweise vielleicht der Fall ist. Wir haben uns dazu entschieden, es Stage left zu platzieren, direkt gegenüber von mir, ich bin also Stage right und wir stehen beide ziemlich weit vorne am Bühnenrand. Der Vorteil dieser Aufteilung ist, dass wir uns alle sehr gut im Blick haben, egal, wo Stefanie sich gerade bewegt und besonders Pat, unser Drummer, und ich haben so einen guten Austausch.

Mittig, direkt hinter Stefanie, sind unsere beiden Backing Vocals platziert, rechts und links davon Gitarre und Bass. Das ist dann vielleicht noch am ehesten typisch. Dieses Setting hat sich für uns bewährt und wir fühlen uns als Band damit sehr wohl.

Dein Arbeitsplatz auf dieser Bühne wirkt sehr aufgeräumt; was ist Dein Hauptinstrument?

Bei Stefanie Heinzmann habe ich den großen Vorteil, dass ich mich auf die Brot- und Buttersounds konzentrieren kann, also Hammondorgel, Piano, E-Piano-Sounds wie das Fender Rhodes oder auch das Wurlitzer. Ich spiele eine zweimanualige Combo Organ und habe als zentrale Workstation den KORG KRONOS in der Version mit 88 Tasten und wirklich ganz frisch dabei ist der KORG GRANDSTAGE.

Bleiben wir zunächst vielleicht kurz bei dem KRONOS. Was unterscheidet diese Workstation von anderen?

Oh, da gibt es einige Eigenschaften. Anfangen würde ich mit den neun Sound Engines, ich habe also eine sehr, sehr große Auswahl an Sounds und damit auch eine wirklich große Palette an Möglichkeiten.

Für den Live-Einsatz hat das KRONOS eine sehr schöne Funktion, den Setlist Mode. Damit ist es besonders leicht, während der Songs zwischen den Sounds zu wechseln. Mir steht ein Display mit sechzehn Schaltflächen zur Verfügung, die benenne ich wie die Songs auch. Ich kann dann während des Spielens wirklich ohne jede Latenz zwischen den Sounds hin und her springen. Die zugrunde liegende Technologie, die KORG für KRONOS entwickelt hat, heißt Smooth Sound Transition; sobald ich zu einem anderen Sound wechsle, wird der vorangegangene nicht mehr gecutted. Das ist grandios. Ich kann also während der Strophe mit dem Sustainpedal einen Chord mit Piano liegenlassen, der wird nicht abgeschnitten, kann zum nächsten Sound wechseln und dann beispielsweise zum Refrain mit einem anderen Sound spielen. Also hier ist es möglich, wirklich blitzschnell umzuschalten.

Die Pianosounds des KRONOS sind hervorragend, die werden direkt von der SSD gestreamt, ich habe damit Gigabytes an Soundmaterial. Ich kenne keine Workstation, die etwa so authentische Pianos hat wie der KRONOS. Ich nutze ihn sowohl live als auch im Studio, obwohl man bei der Studioarbeit vielleicht davon ausgeht, dass eher virtuelle Instrumente zum Einsatz kommen über Plug-ins. Ich weiß ihn aber sehr zu schätzen, weil er eben herausragend gute akustische Pianos hat und die Ansprache, also das Verhältnis zwischen Anschlag, Tastatur und dem Klang ist wirklich super abgestimmt, es gibt keine Latenz beim Spielen und live läuft diese Maschine wie geölt; ich hatte noch nie einen Ausfall, kann mich zu einhundert Prozent auf das Instrument verlassen.

Ich gehöre auch zu den Menschen, die, ehrlich gesagt, nicht gerne einen Laptop auf der Bühne stehen haben, weil die Fehleranfälligkeit einfach viel zu hoch ist; es kann einen Absturz geben, ein Treiber wird nicht richtig geladen, all das wird mir mit dem KRONOS nicht passieren.

Welche Rolle spielen Libraries für Dich?

Libraries spielen in der heutigen Zeit eine immens wichtige Rolle, wir reden ja nicht mehr über Megabytes an Sounds, sondern Gigabytes. Ich habe hier eine Solid State Disk verbaut und habe die Möglichkeit, sowohl KORG eigene Libraries oder auch solche von Drittanbietern zu nutzen. Wenn ich also sage, ich brauche noch mehr E-Piano-Sounds oder Streicher gibt es von Drittanbietern eine riesige Auswahl, die ich dazu kaufen und problemlos installieren kann. Genau das macht den KRONOS übrigens auch aus, weil ich eben nicht ein Instrument kaufe, die darauf enthaltenden Sounds habe und das war es dann. Der KRONOS ist problemlos mit weiteren Libraries ergänzbar.

Was macht für Dich ein perfektes Tasteninstrument aus? Gibt es das?

Wir Keyboarder müssen grundsätzlich mit Kompromissen leben. Du kannst ja nicht alle Tasteninstrumente, die dir wichtig sind und die du spielen möchtest auf eine Bühne bringen, also einen Flügel beispielsweise, eine Wurlitzer oder eine Hammond. Das geht einfach nicht, weil sie schwer sind und damit aufwändig beim Transport, sie müssen gewartet und permanent gestimmt werden, da erleichtern diese elektronischen Instrumente das Ganze dann doch erheblich.

Beim KRONOS gibt es ja diesen German Grand, den ich immer spiele und sehr liebe, weil er in Sachen Sound und Spielgefühl schon extrem nah an das Original heranreicht. KORG hat mir mit dem GRANDSTAGE ganz frisch ein neues Spielzeug zur Verfügung gestellt, das ich heute auch erstmals live einsetze und ich muss sagen, dass sie es mit diesem Instrument geschafft haben, noch einmal eine Schippe drauf zu legen. Mein geliebtes German Grand wird beim GRANDSTAGE getoppt vom Italian Grand. Hier habe ich wirklich das Gefühl, an einem akustischen Instrument zu stehen. Es ist immer gestimmt, absolut super mikrofoniert und der setzt sich nicht nur bei Solostücken, sondern auch im Bandkontext immer durch, ein top authentisches Spielgefühl.

Wie wichtig ist grundsätzlich die technische Seite eines Konzerts für Dich?

Schon sehr wichtig, da mir viele Spielhilfen, beim KRONOS beispielsweise der Pitch, der Modulation Joystick, das Ribbon-Feld oder auch der Vektor-Stick, beim Modulieren des Klangs assistieren. Grundsätzlich habe ich bei meiner Instrumentierung wahnsinnig viele Möglichkeiten, die ich aber bei weitem nicht alle ausschöpfe. Mir geht es vor allem darum, einen authentischen Sound zu haben und die Ansprache der Tastatur ist sehr wichtig.

Wir sollten aber nicht nur die technische Seite eines Konzerts sehen, die angesprochenen Möglichkeiten sind bei der Studioarbeit natürlich von besonderer Relevanz. Da kannst du dann richtig mit der Workstation arbeiten, Sounds komplett verfremden, weiterentwickeln, modulieren.

Hast Du Lieblingslocations, lieber große oder doch eher die kleinen Bühnen?

Also ich spiele, ehrlich gesagt, lieber die kleineren Venues mit 1000 oder vielleicht noch 2000 Besuchern, auch wegen der technischen Seite. Hier bei Stefanie Heinzmann spielen wir grundsätzlich mit In-Ear-Monitoring und da zaubert mir unser Monitormann unabhängig von der Location immer den gleichen großartigen Sound ins Ohr. Bei Wedges und Monitoren spielt die Location wiederum eine große Rolle und wenn wir über große Hallen oder auch Stadien reden, ist der Sound komplett anders und sehr kompliziert zu kontrollieren. Ich bevorzuge ganz klar die kleinen Bühnen, Clubatmosphäre gefällt mir am besten.

Als Tastenmann von Stefanie Heinzmann bist Du relevanter Teil einer sicher nicht alltäglichen Band: Wir haben großartige Einzelmusiker, die es tatsächlich schaffen, auf der Bühne eine funktionierende, pointierte, druckvolle Einheit zu werden; wie geht das? Was ist das Erfolgsgeheimnis? Nur Professionalität?

Ich würde sagen, dass der Teamspirit stimmen muss und das ist hier bei Stefanie Heinzmann definitiv der Fall. Ich bin zwar noch relativ neu dabei, aber die anderen Instrumentalisten spielen schon seit vielen Jahren zusammen. Auch wenn wir bei den Genres vielleicht andere Vorlieben haben, Soul, R’n’B und Funk sind unsere Spezialität, da treffen wir uns.

Ich kann nur sagen, dass es großen Spaß macht, wir spielen und verstehen uns sehr gut, haben einen tollen Zusammenhalt und dieser Umstand ist wahrscheinlich auch das Zahnrad, das alles am Laufen hält.

In einem Interview mit einem professionellen Musiker hoffen Laien diese eine Frage zu lesen, deren Beantwortung sie entweder entsetzt oder begeistert: Verwendest Du Zeit fürs Üben oder hört das irgendwann auf? Betrifft die Vorbereitung, etwa für ein solches Konzert vor allem die Hardware?

Nein, sicher nicht. Bei solchen Original-Acts wie Stefanie Heinzmann ist die Vorbereitung der Stücke sehr wichtig, bei Covermusik ist das ein bisschen anders. Im Vorfeld der Tour haben wir über mehrere Tage intensiv geübt und wenn das Programm dann einmal sitzt und passt, dann muss man eigentlich nicht weiter üben. Die Routine steigt dann mit jeder Show, je öfter man zusammen spielt, umso besser klappt das auch. Mittlerweile haben wir einen Level erreicht, wo, ich würde mal sagen alles blind funktioniert.

Worauf wir uns dann später freuen dürfen. Vielen Dank für das Gespräch, Sevan, und die vielen spannenden Einblicke in Deinen Arbeitsplatz.