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Extras

Künstler

2016.02.29

Ralph Siegel

AUS DEM LEBEN EINES LEIDENSCHAFTLICHEN

DER KOMPONIST UND PRODUZENT RALPH SIEGEL GEHÖRT ZU DEN ERFOLGREICHSTEN KÜNSTLERN IN DER DEUTSCHEN GESCHICHTE, RESPEKT UND ANERKENNUNG BLEIBEN DENNOCH IMMER WIEDER AUS: EINE SPANNENDE SPURENSUCHE

Meinungsführer, Besserwisser, Schlechtmacher, Schubladenkritiker

480 Seiten spannende Geschichten, die ein bewegtes und erfülltes Leben schreibt: Ralph Siegel hat im September 2015 seine Autobiografie veröffentlicht.

Es ist schon eine bittere Erkenntnis, dass Stereotype und einschlägige Vorurteile doch erstaunlich widerstandsfähig durch den menschlichen Alltag geistern, unser aller Alltag. Mit Frauen und Autos wollen wir uns gar nicht erst beschäftigen, lauern doch allzu viele Fallstricke. Aber im Süden, da sind sie alle faul, das ist doch schon so, oder? Wird man ja wohl mal sagen dürfen. Selbstverständlich ist das deutsche Land besonders plakativ definierbar: Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnung, Fleiß. Da dem Homo Sapiens die negativen Attribute ebenso großzügig von der Hand gehen und wir uns selbst in besagtem Alltag ja durchaus auch selbst erleben, kommen wir schnell zur Erkenntnis, dass wir Dichter und Denker hier und da auch ein paar kleinere Schwächen haben. Kleine Schwächen natürlich. Also, im Grunde kaum wahrnehmbar. Okay, ja, erwischt, wir tun uns immer mal wieder ein bisschen schwer mit dem Respekt großartiger Leistungen, dem Anerkennen des Anderen, des auch irgendwie Guten, Herausragenden, Fleißigen, Glücklichen, vielleicht Besonderen, vor allem auch des Bessere. Wir, ja wir, mögen Fußball-Weltmeister sein, in der Disziplin, im Wortsinne und verbal Beifall klatschen scheitern wir regelmäßig in der Qualifikation. Ist aber auch mühsames Unterfangen. Und so kommt es, dass die Beschäftigung mit einem der erfolgreichsten Musiker in der deutschen Geschichte, eingeschlossen sei übrigens auch der Teil der Geschichte vor der Paulskirche zu Frankfurt, sich zwangsläufig nicht konzentrieren kann auf das Handwerk, die Kunst, Techniken, die Leidenschaft, jedwede Art wertvoller Hinweise aufgrund eines überragenden Erfahrungsschatzes. Nein, jede Geschichte über Ralph Siegel enthält zwingend wiederkehrende Reflexe der Legitimation. Warum Ralph Siegel? Warum Schlager? Warum die Vergangenheit bemühen? Sie kann schon ziemlich verletzend sein, die Welt der Künstlermenschen, in jedem Fall respektlos und eindimensional.

Legitimation kommt in den nächsten drei, vier Zeilen tatsächlich vor und oberflächlich betrachtet ist es eine banale Kapitulation vor vermeintlichen Meinungsführern, Besserwissern, Schlechtmachern und Schubladenkritikern. Viel Recherche und nähere Analyse aber bringen die Erkenntnis, dass Rechtfertigung im Kontext einer journalistischen Aufarbeitung von Ralph Siegel dessen Erfolge und seine künstlerische Grandezza nur noch stärker herausarbeiten. Und so erinnern wir die jährlich wiederkehrende, überaus peinliche Arroganz des hippen Berliner Popbiz bei der Verleihung des Deutschen Musikpreises ECHO. Die Industrie verleiht ihre schicken glitzernden Trophäen eben nicht nur an juvenile Radiopophelden, sondern eben auch in den Sektionen Volksmusik und Schlager. An all die Künstler, die mehr Einheiten verkaufen, als viele arrivierte Musiker und Bands in Addition. Deren Tourneen derart regelmäßig ausverkauft sind, dass selbst Branchengrößen wie Grönemeyer viel singen müssen, um ähnliche Ergebnisse zu erzielen. In schöner Regelmäßigkeit hat man als geneigter Fernsehzuschauer bei der Übergabe der ECHOS an die Fischers und Bergs und Amigos und Spatzen das Gefühl, die Ausgezeichneten müssten sich entschuldigen für ihren Erfolg. Zu dezent der Applaus des Auditoriums, scheinbar quälend lang die in bundesdeutsche Wohnzimmer personifizierten Erkenntnisse: „Ach stimmt, die gibt es ja auch noch!“

Nun braucht diese Branche der gestandenen Künstlermenschen keinen Beistand durch unbedeutende Musikjournallie. Und eine Fortführung der Argumentationslinie, etwa über das kaum zu fassende Lebenswerk eines Ralph Siegel, ist nicht nötig. Diese Diskussion hat schlicht keine Berechtigung. Sie fußt auf äußerst subjektiven Geschmäckern, denen es an Flexibilität mangelt, um Großtaten jenseits der eigenen Grenzen als solche zu akzeptieren. Die Schlagerbranche ist ebenso wie das gerne in einem Atemzug genannte Genre der volkstümlichen Musik durchzogen von hochveranlagten Akteuren, seriösen Strippenziehern und kreativen Ideengebern. Nicht zuletzt der nachweisbare Erfolg verbietet jegliches Hinterfragen oder selige Belächeln.

Marketingprofi Siegel - Kirmeskönigin Luisa ist der Wiesenhit 2015

Eine Persönlichkeit, die viel zu erzählen hat

Volle Konzentration also auf eine Persönlichkeit, die viel zu erzählen hat und die wir gerne etwas besser verstehen möchten in seiner Kunst, seiner musikalischen Sozialisierung, in seinem Tun. Welche Rezepte, Arbeitsweisen, Strategien bringen Ralph Siegel seit einem halben Jahrhundert internationalen Erfolg? Wie nimmt er seine Welt wahr? Was ist eigentlich gute Musik? Was können wir von musikalischen Peers lernen? Wir nähern uns Ralph Siegel in einem sehr offenen, lebhaften Interview und lernen anschließend am Beispiel seiner jüngsten Erfolgsgeschichte, dass sein Scouting durchaus strukturiert ist und dennoch bisweilen auch auf elektronische Hilfe angewiesen ist. Die Ruhrpott-Kirmeskönigin Luisa war mit ihrer ersten Single „Die perfekte Nacht“ Dauerbrenner ausgerechnet in Siegels Heimat: Im Herbst 2015 gab es kein Zelt auf der Münchner Theresienwiese, in dem dieser Song nicht täglich gefeiert wurde. Es gibt durchaus schlechtere Publikumsrückmeldungen. Feiern durfte Ralph Siegel zuletzt nicht nur diesen neuerlichen Erfolg, sondern auch einen runden Geburtstag.

  • Siegels Geburtstagsfeier in Schubecks Teatro mit viel Prominenz

  • Hier traten auch seine Neuentdeckungen, wie z.B. Luisa auf

Herr Siegel, vor wenigen Wochen gab es eine schöne Geburtstagsfeier zu Ihrem 70. Welche Musik wurde an diesem Tag gespielt?

 

Mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise Acts aus Alfons Schuhbecks „Teatro“, nur Musik aus meiner Feder. Es fing mit der „Sternensuite“ (Instrumental) an, gefolgt von Instrumentalversionen meiner Erfolge von Max Greger Junior und seinem Orchester, schließlich Zittermusik zum Tafelspitz mit Tommy Temmersen. Mit Ausnahme von Joey Heindle sangen meine neuen Künstler neue Songs von mir und der vierzigminütige Videobeitrag zu meiner Vita bestand auch ausschließlich aus meinen Kompositionen, Erfolgen und auch weniger erfolgreichen Liedern. Höhepunkt war der Besuch der Künstler aus meinem Musical „ Johnny Blue“. Im Anschluss tanzten und sangen die Gäste im Saal zu diversen Discound Danceversionen meiner Eurovision Song Contest-Titel.

 

Bitte erklären Sie einem Vierzigjährigen, ob das Alter ein Fluch oder ein Segen ist?

 

Natürlich ein Segen, denn wer alt werden darf, kann von Glück reden und ich habe trotz vieler Krankheiten sehr viel Glück gehabt. Es ist nicht alles leichter geworden, aber ich habe immer noch viele Ziele und das hält mich jung. Ein Segen ist auch, dass ich über fünfzig Jahre hart gearbeitet habe und heute davon leben kann.

 

In Ihrer Biographie lassen Sie die Leser durchaus nah an sich heran, erzählen sehr offen von Erfolgen, aber auch durchaus schmerzhaften Niederlagen. Welche Rückmeldungen haben Sie zum Buch bekommen?

 

Am liebsten würde ich die jetzt alle anhängen und abdrucken. Besonders Musiker haben mir geschrieben, dass sie in meiner Biographie viele Dinge entdeckt haben, die sie aus ihrem eigenen Leben kennen und durchaus froh sind, von meinen niedergeschriebenen Erfahrungen profitieren zu können. Im Buch thematisiere ich meine Erfahrungen mit der Musikbranche im In- und Ausland sehr ausführlich, viele Künstler, ob Anfänger oder Pros werden sich mit Sicherheit hier und da wundern. Wirklich lieb war auch die Bemerkung meiner Freundin Barbara Meinunger, die Frau meines Freundes und Textdichters Bernd Meinunger. Sie sagte sinngemäß, während des Lesens über 480 Seiten das Gefühl gehabt zu haben, neben mir zu sitzen. Wir kennen uns tatsächlich seit vierzig Jahren und diese Rückmeldung sagt mir, dass ich ein Buch geschrieben habe, dass aus meinem Herzen kommt und sehr offen, sehr ehrlich geschrieben ist. Auch Barbara Diekmann und Dr. Michael Kunze waren voll des Lobes und was will ich noch mehr.

 

Sie gehören als ausgebildeter Komponist und Produzent zu den erfolgreichsten Künstlern, die Deutschland jemals hervorgebracht hat, sind mit weit mehr als 2000 Titeln bei der GEMA registriert; woher rührt Ihre unglaubliche künstlerische Kreativität, ihre Schaffenskraft? Kann es für einen Künstler überhaupt jemals so etwas wie Rente geben?

 

Natürlich geht kein echter Künstler in Rente. Komponisten, Dichter und Maler werden bis zum letzten Atemzug kreativ sein. Robert Stolz und Irving Berlin komponierten noch im hohen Alter von 90 Jahren. Die Schaffenskraft muss in einem selbst liegen und mal ehrlich: Wenn ich in vierzig Jahren pro Woche durchschnittlich ein Lied schreibe, kommen da schon leicht 2.000 Titel zusammen. Schwer ist es allerdings, die dann auch zu produzieren und zu verkaufen. Da gehört sehr viel Disziplin und Arbeit und Liebe zu den Künstlern und dem Beruf dazu, als sich viele Menschen vorstellen können.

 

Wie kein Zweiter stehen Sie für erfolgreiche Schlagermusik. Das relativ schlechte Image des Genre ist handwerklich unbegründet, das wissen alle professionell Beteiligten, Musiker, sogar viele Fans; warum hält es sich dennoch so hartnäckig?

 

Das schlechte Image haben wir verschiedenen Umständen zu verdanken. Vor allem, dass wir den Krieg vor 70 Jahren verloren haben und nach der Besetzung durch die Amerikaner und Engländer mit AFN und BFN aufgewachsen sind. Die Nachkriegszeit war von Schlagern beherrscht, die von Träumen nach dem sonnigen Süden und Lebenslust nur so strotzten. Die Nachkriegsgeneration fand natürlich all die Rock&Roll-Bands, die Rolling Stones, die Beatles mehr als spannend, musikalisch eindrucksvoll, besonders neu und interessant. Auch wenn so gut wie keiner ein Wort oder besser: den Text voll verstand. Es war ein Zeichen für die Zukunft und neue Musikwelt nach all dem Desaster. Dass man dabei langsam die eigene Sprache vergessen hat und sich der internationalen Musik zugewendet hat, ist durchaus verständlich. Plötzlich war alles, was nicht international klang und nicht aus der Pop-Rock-Ecke stammte, nur noch Schlager und wurde in eine große Schublade gesteckt. Ein großer Fehler! Wörtlich übersetzt bedeutet ergibt sich aus Schlager die Bedeutung Hit. Längst nicht alles, was da gesungen und geträllert wird, ist ein Schlager. Es gibt in allen Sparten gute und weniger gute Lieder. Leider werden wir das gebräuchliche Wort Schlagerbranche schwer ändern lassen, viele würden sich freuen, mal einen Schlager zu schaffen, einen echten Schlager wie „Atemlos“ oder „Dschingis Khan“. Grund für das schlechte Image ist sicher aber auch die Hochnäsigkeit der Rock und Pop-Generationen gegenüber anderen Sparten, in den Medien und auch bei Künstlern hier in Deutschland. In anderen Ländern ernten Sie kein Naserümpfen, wenn man etwa in der Countryszene oder der Volksmusik agiert. Es zählt nur die Leistung auf dem jeweiligen Gebiet und welche Akzeptanz jemand in seinem Genre erreicht hat. Unterhaltung ist ein schweres Geschäft, egal ob im Bierzelt oder einer Jazzkneipe oder eben einem Rock-Pop-Event. Die Leistung ist eigentlich dieselbe. In keinem Land der Welt jedoch spielt man bis zu neunzig Prozent ausländische Musik im Radio. Das ist definitiv ein deutsches Phänomen und die halbe Welt schüttelt lächelnd den Kopf über uns.

 

Obwohl Sie in jeder Hinsicht unglaubliche Statistiken erreicht haben, viele bedeutende Auszeichnungen erhielten, internationale Erfolge feierten, nachgewiesenermaßen handwerklich auf höchstem Niveau agieren, könnte man nach der Recherche zu Ihrer Arbeit zu dem Ergebnis kommen, dass Sie latent belächelt werden. Was ist der Grund dafür? Hat Schlagermusik ein negatives Image in der Öffentlichkeit?

 

Ich wurde noch nie von Menschen belächelt, die mich und meine Arbeit wirklich kennen. In der Öffentlichkeit werden oft Banalitäten und Aufmacher der Presse wahrgenommen, über die ich mich nicht immer freue, aber über die ich doch lachen kann. Übrigens wird auch jeder, der mein Buch liest, zu einem anderen Schluss kommen. Gott sei Dank hatte ich das Glück, große Schlager zu schreiben. Das gefällt nicht jedem, der es selbst schon Jahre lang versucht hat. Meine Arbeit in meinen diversen Berufen hat genug Anerkennung gefunden und die vielen Auszeichnungen zeugen doch von mehr als nur negativem Image. Dank all denen, die dabei mitgewirkt und die Welt eines Besseren belehrt haben. Das Volk, besonders auch die Jugend, ist immer wieder sehr nett zu mir und das freut mich sehr. Es bedeutet mir viel mehr, als ein paar anonyme Kommentare im Internet.
  • Früh übt sich in einem musikalischen Elternhaus – Ralph Siegels Vater war Komponist und Musikverleger, seine Mutter Operettensängerin. Sein Vorbild war George Gershwin.

  • Für kurze Zeit tat sich Ralph Siegel auch selbst als Sänger hervor. Doch immer gut aussehen und immer im Mittelpunkt stehen, war ihm zu anstrengend.

Wie wichtig ist das handwerkliche Knowhow auf dem Weg zum Erfolg?

 

Das handwerkliche Knowhow ist schon sehr wichtig, aber es gibt auch Leute, die es rein mit ihrer Spürnase und mit Glück und Verstand geschafft haben – das kommt in unserem Beruf immer wieder vor – ist meist aber nur von kurzer Dauer.

 

Viele wissen nicht um Ihre herausragende musikalische Sozialisierung. Sie stehen in einer großartigen musikalischen Tradition mit Ihrem Großvater, einem Dirigenten und Opernkomponisten, und insbesondere auch Ihren Eltern, Ihre Mutter eine Operettensängerin, Ihr Vater auch Komponist. Sie selbst wurden am Klavier, der Gitarre, dem Schlagzeug ausgebildet. Wie sehr gründet Ihr Erfolg auf dieser profunden handwerklichen Basis?

 

Natürlich war die Tatsache, dass ich in einem musikalischen Haushalt aufgewachsen bin, von besonderer Bedeutung. Ausschlaggebend aber nicht. In der Kunst wird Erfolg im Grunde so gut wie nie vererbt. Die Junioren, die im gleichen Beruf wie ihre Mütter oder Väter Erfolg haben, kann man an einer Hand abzählen. In meinem Fall war es George Gershwin, der mich sehr fasziniert hat und mein Vorbild für den Beruf des Komponisten war. Die fachliche Ausbildung verlief bei mir über viele Jahre und führte mich dank meiner Eltern in viele Länder. Auf diese Weise konnte ich mich langsam auf den Beruf des Komponisten, Textdichter, Musikverleger und Produzenten vorbereiten.

 

Können Sie uns bitte einen Einblick in Ihren Alltag geben? Wie sieht ein typischer Tagesablauf aus? Wie und wo komponieren Sie? Was ist Ihre künstlerische Inspiration?

 

Das wäre zu lange. Wie jeder Mensch stehe ich am Morgen meist früh auf, lese drei, vier Zeitungen, frühstücke und gehe dann ins Büro, erledige Mails, die Post, unerledigte Dinge der Vortage haben Vorrang. Ab mittags gehe ich meist ins Studio oder ans Klavier, schreibe Texte, begutachte Texte oder nehme auf, mische, produziere. Am Abend empfange ich gerne Gäste zum Essen. Die kreative Seite wird meist von den anstehenden Themen und aktuellen Künstlern bestimmt. Man sucht Lieder und Ideen, passende Vermarktungsmöglichkeiten, allgemein gibt es viele Aufgaben, die gelöst werden müssen. Videos, Promotion, Fernsehauftritte, viel Arbeit täglich, auch am Wochenende. Dieser Beruf kennt fast keine Pausen.

 

Neben Ihren erfolgreichen, häufig prämierten Produktionen beweisen Sie regelmäßig großartige Scoutingfähigkeiten. Ihre neueste Entdeckung Luisa sorgte mit „Die perfekte Nacht“ für den Oktoberfesthit 2015? Wie und wo finden Sie Ihre Talente?

 

Luisa ist bezaubernd, gut und fleißig und eines der Talente, die ich per Zufall entdeckt habe. Wir haben uns über die App „Quizduell“ kennengelernt! Ich bekomme täglich diverse Angebote, aber, erstens kann ich zeitlich nicht alle beantworten, obwohl ich fast alle höre, und, zweitens, hat jede Firma auch nur eine gewisse Kapazität, sich um neue Künstler zu kümmern. Wäre schön, wenn „Die perfekte Nacht“ noch weitere Chancen als nur die Wies’n bekäme, denn Luisa hat sich voll eingebracht und einen tollen Job gemacht.

 

Wie ein roter Faden zieht sich Ihr musikalisches Engagement im Kontext des Eurovision Song Contest durch Ihr Leben. Können Sie bitte erklären, was die Faszination dieses Wettbewerbs ausmacht?

 

Nach über vierzig Jahren Engagement in diesem Bereich ist das schwer, in Worte zu fassen. Eigentlich, schlicht formuliert, ist es die jährlich wiederkehrende Europameisterschaft mit Resonanz in aller Welt. Das ist für einen Komponisten die gleiche Herausforderung wie für jeden Sportler oder Spieler in diversen Bereichen. Die Möglichkeit einen Künstler oder auch ein Lied weltweit bekannt zu machen, besteht für uns Deutsche nur recht selten. Entsprechend beteilige ich mich sehr gerne immer wieder am ESC. Die Tatsache, dass es unendlich schwer ist, überhaupt dabei zu sein, reizt mich eben auch noch in meinem Alter und 23 internationale Teilnahmen sprechen für sich.

 

Ein bisschen Frieden“ wird als Siegertitel, 1982 gesungen von Nicole, immer auch für eine musikalische Sternstunde in der deutschen Geschichte stehen. Wie erinnern Sie diesen besonderen Moment?

 

Nun kommt endlich die Frage, auf die ich antworten kann: Da müssen Sie wirklich meine Biographie lesen, die gerade in zweiter Auflage erschienen ist. Es gab dermaßen viele Zufälle, die dazu geführt haben, diesen geschichtlich einmaligen Moment erleben zu dürfen. Unglaublich spannend war das, aber unfassbar und herrlich. Es lohnt sich, das Buch zu kaufen, denn noch vieles mehr ist dort zu lesen.

 

Wenn man die Musikszene analysiert, fällt sofort auf, dass es nur noch wenige Acts mit längerer Halbwertszeit gibt? One-Hit-Wonder sind an der Tagesordnung, Kontinuität nur schwer zu finden? Kommt Erfolg heute schneller als früher? Muss er weniger erarbeitet werden? Spielen die schnelleren Medien eine Rolle?

 

Viele Fragen, eine Antwort: Alles ändert sich im Leben und natürlich haben die neuen Medien alles verändert. Was zählt sind immer wieder Kontinuität, Leistung und große Begabung, besonders aber Beharrlichkeit und Fleiß!

 

Welche Rolle spielt im Jahre 2015 die technische Seite der Musik? Wie bewerten Sie ungemein rasante Entwicklung, etwa der Studiotechnik, in den vergangenen Jahren?

 

Der Computer hat in diesem Bereich neue Türen geöffnet und in Verbindung mit Keyboards eine neue Welt der Musikherstellung offenbart. Theoretisch kann jeder für ein paar Euro heute sein eigenes Studio einrichten und mit ein paar guten Programmen, Komponist und Produzent spielen. Langfristig gesehen ist aber die musikalische Ausbildung auch hier die Basis für Erfolg. DJ's aus aller Herren Länder haben es vorgemacht, wie man sich mit Klängen, Beats und Sounds in die Charts boxen kann, aber nur wenige dieser begabten Herren, wie David Guetta oder DJ Antoine, haben auch das Zeug, andere Künstler durch die harten Zeiten des Showgeschäfts zu führen, zu beraten und zu unterstützen. Ein Studio ist noch lange keine Schallplattenfirma, um mal diesen altmodischen Begriff zu verwenden. Erfolg in unserem Beruf bedarf Hilfe von vielen Seiten und erfahrene Betreuung.

 

Was macht für Sie einen perfekten Song aus?

 

Das weiß nur Dieter Bohlen (lacht). Wenn der Sieger von „Deutschland sucht den Superstar“ ein gutes Lied von ihm singt und Millionen schon darauf warten, das Ding endlich herunterzuladen. Offen bleibt dann allerdings, ob dieser Song auch in zwanzig Jahren noch auf der Straße gesungen wird. „Ein bisschen Frieden“, „Moskau“ und „Dschingis Khan“, „Fiesta Mexikana“ und „Babicka“ oder „Du kannst nicht immer 17 sein“, „Theater“ und „Johnny Blue“ waren perfekte Songs und ich bedanke mich täglich beim lieben Gott und den damaligen Interpreten. Eine gute Textidee, die zum Künstler passt und authentisch klingt, eine Melodie die ins Ohr geht und den Stimmlagen und Stärken des Sängers entspricht und ein Produzent, der das alles harmonisch und gefühlvoll produziert, kann zum perfekten Song führen. Dann muss ihn aber auch noch das Publikum lieben.

 

Ihr Alltag ist bestimmt von Musik; können Sie überhaupt noch privat Musik hören? Welche Künstler beeindrucken, welche Musik mögen Sie?

 

Ich liebe Popmusik und erfolgreiche, gute Schlager, Ragtime und Wiener Lieder. Andreas Gabalier, Naidoo und Andreas Bourani genauso wie Helene Fischer und Wolkenfrei. Das Attribut „gut“ bleibt immer auch eine Sache des persönlichen Geschmacks und der persönlichen Ansicht. Besonders liegt mir eine meiner Neuentdeckungen am Herzen, Julia Kollat, mit der ich gerade ein Album produziere. Sie ist fantastisch.

 

Sie leben auch in den USA, welche Inspiration aus den Staaten findet sich in Ihrer Musik wieder?

 

Ich lebe seit einiger Zeit etwa zwei Monate pro Jahr in den USA, hatte hier eine eigene Firma aufgebaut, die ich leider wieder verkaufen musste. Natürlich haben die Nashville-Jahre großen Einfluss auf meine Kompositionen, besonders die Arbeit mit den Bellamy Brothers, auch die Soul-, Folk- und Popmusik. Melodie und Text bleiben aber in allen Bereichen das tragende Element. Harmonisch haben mir die großen Meister wie Burt Bacharach und viele Andere ein weites Feld der Kompositionsmöglichkeiten eröffnet. Heute scheint das manchmal sogar schädlich zu sein, wenn man sich die vielen „4-Takte-Pattern-Songs“ im Radio anhört. Eigentlich schade, denn Musik ist so grenzenlos und das Formatdenken schadet heute häufig der Kreativität. „Passt nicht ins Format“ hört man immer wieder von den Radioredakteuren. Einheitsbrei ist leider mehr gefragt als Novitäten und Ausgefallenes.

 

Welche Schlagzeile würden Sie gerne über sich lesen?

 

Ralph Siegel wieder bei der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest“! Man wird ja noch träumen dürfen!

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