2014.10.17
Götz Alsmann
Viele Viele Menschen kennen dich, viele aber auch nur als Fernsehmoderator. Dabei bist du ja Musiker, der irgendwann auch ins Fernsehen kam.
„Ja, das ist die Krux bei der Sache, dabei mache ich schon sehr lange Musik. Ich habe schon in der Volksschule damit begonnen. Zuerst Blockflöte und dann sofort Klavier. Das hat mich begeistert und ich bin dabeigeblieben. Ein Nachbar gab mir Unterricht. Das war ein älterer Herr aus Polen, der war früher Stummfilmbegleiter.“
Hat der deine Liebe zu der Musik, die du heute spielst, geweckt?
„Das waren eher meine Eltern, die mir Klassik, Opern und Operetten nahe gebracht haben. Mein Vater mochte auch sehr gerne Jazz. Meine Eltern liebten ganz unterschiedliche Musik, Operetten von Emmerich Kálmán genauso wie Stücke von Louis Armstrong und anderen Jazzern. Aber auch Bill Haley und die Beatles liefen bei uns zuhause, meine Eltern waren sehr offen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass mein Vater schon 37 war, als die Beatles ihren Durchbruch feierten. Damals galt man mit dem Alter ja schon als gesetzter Herr.
Meine Eltern fanden es großartig, dass ich Musik machen wollte und haben das sehr gefördert.
Und wie ging es dann weiter?
„Mit 12 hatte ich begonnen, auch Banjo zu spielen und mit 15 war ich auf meiner ersten Tournee. Als ich 17 war, habe ich bei einer ersten Plattenaufnahme mitgewirkt. Und dann kam eine Zeit, in der ich sehr viele Jobs hatte. Eigentlich fast immer mit dem Banjo, aber so mit 20 wechselte mein Schwerpunkt wieder zurück aufs Klavier. Das hatte ich nie vernachlässigt, aber eher privat und nur gelegentlich live gespielt. Es wurde dann mehr und mehr zu meinem Hauptinstrument und später kam dann auch der Gesang dazu. Erst so als eine Art Pausenfüller …“
Seit dem 21. Lebensjahr spiele ich nur noch in eigenen Bands und nicht mehr für andere. Allerdings kommt es schon mal vor, dass ich als Gast auf einer Platte zu hören bin, wie jetzt gerade bei Max Mutzke oder Wolfgang Haffner. So ein richtiger Session-Musiker war ich eigentlich nur zu Beginn meiner Karriere. Zwischen 19 und 25 war ich häufig in Holland, da gab es zwei Produzenten, die so einen Mix aus Folk, Country, Skiffle und Rock gemacht haben. Da war ich mit dem Banjo und als Mandolinist gefragt. Außerdem haben die beiden es sehr geschätzt, dass ich Noten lesen konnte.
Doch irgendwann habe ich das beendet, um mich nur noch eigenen Sachen zu widmen. Wobei ich sagen muss, dass ich dabei bis 1985 eher erfolglos war. Dann hatte ich mit „People Are People“ einen Überraschungshit, denn das Stück hatte ich schon ein Jahr zuvor als Demo aufgenommen. Das war natürlich ein großes Glück, denn ab da hatte ich eigentlich keine beruflichen Probleme mehr, was bis heute so geblieben ist.
Aus diesem ersten Erfolg ergaben sich dann plötzlich die Fernsehgeschichten. Ich wurde zu Shows und Castings eingeladen, oft als Versuchsobjekt für angehende Moderatoren - gegen Gage, versteht sich. Aber am Ende des Abends bekam ich dann die Sendung. So bin ich ins Fernsehen gekommen.“
Wenn man Götz Alsmann trifft, ist das immer eine interessante und lehrreiche Reise in die deutsche Musikgeschichte. fragt man ihn, wie er seine Vorliebe für diese Stilrichtung entwickelt hat und warum er nie auf den Pop-, Rock- oder Technozug aufgesprungen ist, antwortet er:
„Na ja, das hängt vermutlich damit zusammen, dass ich einfach in einer Zeit aufgewachsen bin, in der die meiste im Rundfunk gespielte Musik noch vor der Rockärea entstanden ist, so komisch sich das anhören mag. Das heißt aber auch, dass die ganzen Stücke dieser Zeit sich alle in einem ähnlichen ästhetischen Spektrum befanden. Und diese Art von Musikgeschmack war ja auch durchaus noch bis zur vielleicht dritten Beatles-LP deutschlandweit in Mode.
Als ich ab 1994 bei der NDR Spätshow war, haben wir Künstler von Gloria Gaynor bis Bill Ramsey und von Jürgen Drews bis Roger Chapman begleitet. Der leitende Redakteur war der Meinung, dass, wenn die Gäste auf Englisch singen würden, wir etwas Deutsches präsentieren sollten. Und da wurde dann mein deutschsprachiges Repertoire, was ich bis dahin bestenfalls auf Partys zum Besten gegeben hatte, plötzlich mehr und mehr gefragt. Ich spielte Lieder von Paul Abraham, Bully Buhlan, Rudi Schuricke, Margot Eskens, Evelyn Künneke, die ich ja noch von früher kannte. Daraus hat sich dann das „Gestatten Alsmann“-Album entwickelt. Wir waren so gut eingespielt, dass wir für Proben und Aufnahmen nur 2,5 Tage gebraucht haben. Dieses Album wurde ein toller Erfolg, gar nicht mal so sehr im Verkaufssinne, sondern aus persönlicher Sicht. Ich habe dafür viel Anerkennung erhalten und man hat sich zu diesen Schlagern bekannt. Die Menschen haben es sehr begrüßt, dass wir diese Titel nicht als Parodie, sondern sehr ernsthaft präsentiert haben. Das war ja die Zeit, in der Leute wie Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn mit ihren Interpretationen sehr gefragt waren. Deren Schlager waren aber eindeutig Parodien. Insofern waren mein erstes deutschsprachiges Album und die Reaktionen darauf eine Art von Schlüsselerlebnis. Ich hätte ja auch den Rest meines Lebens in Englisch singen und Jazz-Standards spielen können. Aber ich wollte lieber diese deutschen Titel zu Standards machen, was sie ja im Grunde genommen auch sind. Es sind unsere Standards und Lieder, die bis 1970 eigentlich jeder kannte, selbst die Rock-Fans und die Stones-Anhänger. Keiner kann immer nur verleugnen, was er bei Eltern und Großeltern im Radio gehört und was einen geprägt hat..“
Hat sich daraus auch deine Vorliebe für den Chanson entwickelt?
„Der Chanson war ein fester Bestandteil der deutschen Unterhaltung. Wer in den 1960ern den Fernseher am Samstagabend angeschaltet hat, konnte sich sicher sein, dort französische Chansons zu hören. Das ging so weit, dass man eine Französin wie Mirelle Matthieu im Grunde eindeutschte und eine deutsche Schlagersängerin aus ihr machte. In der Zeit war eigentlich alles in Deutschland ein Erfolg, was die – ich nenne es mal gehobene französische Schlagerszene – hervorbrachte. Insofern ergab sich da automatisch auch für mich eine Prägung. Früher hörte man viel mehr europäische Musik in Deutschland, Musik die nicht in Englisch gesungen wurde. Irgendwann saßen wir mit dem Mann von Blue Note Records zusammen, der uns dort betreut. Er hatte die Idee zu einer Chanson-Platte, denn ihm war aufgefallen, dass auf jeder meiner bisherigen Platten immer ein Chanson – ob „echt“ oder eingedeutscht – oder zumindest Lieder, die so einen Flair versprühten. Er schlug also vor, das „Paris“-Album zu machen und dafür auch direkt in die französische Hauptstadt zu fahren. Ein großartiger Gedanke, die Stücke dort aufzunehmen, wo viele Originale entstanden, im geschichtsträchtigen Studio Ferber. Arbeiten in Frankreich mit Franzosen am Pult, Franzosen als Techniker, was könnte es besseres geben.“
Wie hat das Studio die Produktion beeinflusst?
„Dieses Studio versprüht eine besondere Atmosphäre, hat einen ganz eigenen Geruch und so etwas beeinflusst einen definitiv. Wobei ich nicht sagen kann, welchen Anteil das Studio selbst und welchen Anteil die andere Produktionsweise des Albums hatte. Wir sind ja ganz bewusst auf unserer „Herrenreise“ für ein paar Tage nach Paris gefahren, haben uns in fast schon klösterlicher Abgeschiedenheit nur auf das Album konzentriert. So etwas macht sich schon bemerkbar. Normalerweise gehst du ja morgens ins Studio, machst dort deinen Job und dann fährt jeder wieder nach Hause, beantwortet seine Post und der Alltag holt alle wieder ein. Hier war alles intensiver. Wir haben uns kaum was von Paris außerhalb des Studios angesehen, waren abends nur zusammen in ein paar guten Restaurants essen.“
Habt ihr komplett analog aufgenommen?
„Das Speichermedium war digital, aber das Pult war von anno dazumal. Dazu kamen prähistorische Mikrofone und die unglaubliche Raumakustik. Wir haben fünf Tage zusammen im Studio live aufgenommen, richtig als Band. Drei der Jungs sind dann schon abgereist und wir haben einen Tag noch ein paar Takes Trompete, Akkordeon und Banjo auf die Platte gebracht. Mir blieben dann noch drei Tage, um meine Gesangs-Parts noch mal zu singen. Ich hatte zwar teilweise schon bei den Band-Aufnahmen mitgesungen, aber an diesen drei Tagen konnte ich mich noch mal nur auf den Gesang konzentrieren.“
Auf die frage, ob er alles arrangiere, nickt Götz Alsmann nur, steht auf, geht ins Nebenzimmer und kommt nach kurzer Zeit mit einer Mappe voller handgeschriebener Arrangements wieder. Er schreibt alle seine Arrangements von Hand, kein Notensatzprogramm am Computer, kein Sequenzer, um Dinge auszuprobieren. Alles entsteht in seinem Kopf.
„Natürlich darf jeder in der Band Anregungen und Kritik zu den Arrangements äußern und bei den Schlagzeug und Percussion-Parts gibt es von den beiden Jungs oft noch Ergänzungen, weil mir da oft der fachliche Einblick fehlt. Ich war 42, als ich meinen ersten Rechner bekommen habe und bin von Hand einfach viel schneller. Zudem bin ich so viel flexibler, kann überall schreiben. Für das „Kuss“-Album und für „Tabu“ habe ich fast alle Arrangements im Hotelzimmer geschrieben, wenn ich von den „Zimmer-frei“-Aufzeichnungen zurück war. Jede Nacht, da hatte ich Ruhe und konnte drei bis vier Stunden lang konzentriert arbeiten und in dieser Zeit ein Arrangement fertigstellen.“
Faszinierend!
„Man bekommt Routine darin und früher war das so üblich, alle haben so gearbeitet, weil es ja die technischen Möglichkeiten noch gar nicht gab.“
Änderst du später noch viel an den Arrangements?
„Manchmal ja und manchmal nein. Es gibt Lieder, da bleibt fast alles so, wie ich es geschrieben habe und andere, da schreibe ich schon mal vier oder fünf Versionen. Uns kommt aber immer zugute, dass wir als Band sehr eingespielt sind. Meine Jungs wissen oft schon mit wenigen Noten, die ich aufschreibe, in welche Richtung ein Song gehen muss. Die kennen mich und meine Art und umgekehrt. Das hilft ungemein.“
Wie schaut es mit eigenen Songs aus?
„Schreibe ich natürlich nach wie vor, aber in diesem Programm gibt es keine. Nur einige der Texte stammen von mir, wenn es noch keine deutsche Version für diese Lieder gab.“
Findest du noch Zeit für andere Projekte neben der Tour und „Zimmer frei“?
„Ich habe seit 26 Jahren an jedem Montagabend meine einstündige Radioshow auf WDR 4. In der spiele ich Platten aus meiner Sammlung. Viel Schräges, alte Schellackschätzchen, eigenartige orientalische Musik, Sprechplatten, Schlager, Rockabilly und wonach mir gerade ist.“
Wie schaut es mit anderen Musikprojekten aus?
„Hier und da mal als Gast auf einer Platte spielen klappt, aber für mehr ist einfach keine Zeit.“
Auf der Bühne spielst du nur mit einem Flügel, aber ich weiß, dass du daheim ein KORG SV-1 und einen microKORG hast.
„Das stimmt, die sind mir beide eine Hilfe, wenn ich mal schnell etwas ausprobieren möchte. Das SV-1 dient mir vor allem als Wurlitzer-Ersatz, denn ich konnte bisher einfach kein gut erhaltenes Modell finden. Als ich in der Harald-Schmidt-Show war, sah ich, dass Helmut Zerlett damit spielte und war sofort begeistert. Man denkt ja, das wäre direkt für den Einbau ins Raumschiff Orion entwickelt worden, so gut sieht das aus. Das Design ist wirklich ein großer Wurf. Ich war fasziniert davon. Auch mein Sohn spielt schon mal für seine Produktionen damit, er nutzt dann auch die anderen Sounds. Und für die Zukunft plane ich schon, einiges mehr damit zu machen. Mal schauen, wohin die Reise geht.“
Das heißt, andere Sounds interessieren dich nicht?
„Nein, gar nicht. Ich bin kein großer Rhodes-Fan."
Und FM-Pianos?
„Kommen in meinem Denken gar nicht vor. Ich kenne die gar nicht, weiß aber, was du meinst. Die haben für eine Zeit die ganzen Soul-Platten versaut. Solche Sounds waren wohl der Hauptgrund, warum ich mich irgendwann aus dieser ganzen aktuellen Musik ausgeklinkt habe. Nicht jeder muss alles können und machen.“
„Ja, Instrumente, bei denen ich mich noch defizitär fühle, also Akkordeon und die Hawaii-Gitarren aus meiner Kollektion. Da habe ich einige historische Schätzchen als Nicht- Pedal-Modelle. Klavier übe ich im klassischen Sinne – also Skalen und Fingerübungen – nicht, aber ich arbeite viel am Klavier, ergründe neue Dinge, probiere aus. Eher etwas in der Art. Manchmal beschäftige ich mich dann für mehrere Monate mit einer neuen Idee, entwickle diese in verschiedene Richtungen und oft kommt dann erst nach einem oder zwei Jahren etwas Greifbares dabei raus. Und manchmal stellt man auch nach einiger Zeit fest, dass es doch keine gute Idee gewesen ist.“
Und dein Tipp für junge Musiker? Was tut man heute am besten, um erfolgreich zu werden?
„Such dir deine Nische. Wenn du versuchst, mit amerikanischem Pop erfolgreich zu werden, wirst du einer Flut von Konkurrenten begegnen. Ich kann wirklich jedem nur empfehlen, sich mit seiner eigenen Musik zu beschäftigen. Musik, die einem nahe ist. Dabei ist es egal, ob man selber Songs schreibt oder einfach in einer Band spielt, die einem musikalisch vertraut ist. Dort trägt man dann seinen Anteil dazu bei und sorgt dafür, dass sich – auch ohne eigene Songs –die Musik sich entwickelt, zur eigenen wird. Man muss auch nicht zwingend den Popstar-Traum träumen. Vielen reicht es ja auch, im Hintergrund zu stehen und zu spielen. Und wer hätte vor Jahren gedacht, dass ein Eigenbrötler wie Clueso so erfolgreich werden würde. Manchmal muss auch die Zeit einfach reif werden. Schau mal Ulrich Tukur, Max Raabe oder mich an, wir haben das Glück, dass diese Art von Musik, die wir machen, irgendwann ihre Liebhaber gefunden hat. Die aus dem Mainstream kommenden Nullachtfuffzehn-Sachen, die letztlich nach ein und demselben Rezept laufen, werden am Ende nur eine schöne Jugenderinnerung bleiben.“
Dann wäre die Quintessenz, dass man an sich glauben und sich mit sich selbst beschäftigen sollte?
„Ja, das sollte man viel öfter tun. Nicht nur, aber vor allem in der Musik.“
Produktinformationen
microKORG (2002)
SYNTHESIZER/VOCODER
microPIANO
DIGITAL PIANO
SV-1 Black
STAGE VINTAGE PIANO