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Künstler

2014.10.07

Kamal Gray > The Roots

Tief verwurzelt

„Den größten Teil meines Lebens habe ich mit dem Pendeln zwischen Jazz und HipHop verbracht. In meiner Jugend interessierten mich vor allem die HipHop-Trends: Breakdance, DJ-Performances und Graffiti. Mein Vater riet mir in jener Zeit, mich vom HipHop zu lösen und mich ans Klavier zu setzen, um Jazz zu spielen. So wuchs ich halt mit beiden Musikstilen auf.” Und genau dort, liebe Freunde, begann die Karriere des jetzt schon seit langen Jahren bei den Roots spielenden Keyboarders Kamal Gray.

Kamal Gray



„Als schwer HipHop-vorbelasteter Jugendlicher traf ich Manager Rich. Bei ihm lernte ich die MIDI-Grundlagen für elektronische Keyboards. Er gab damals nämlich einen Kurs für Kinder, an dem ich teilnahm. Aus dieser Bekanntschaft wurde Freundschaft. Wir hielten Kontakt und eines Tages gründete er The Roots. Er rief mich an und sagte: ‘Du solltest in meiner neuen Band spielen. Wir suchen nämlich noch einen Keyboarder.’ Ich antwortete, dass das nicht ginge, weil mein Vater wohl… na ja und dann wäre da noch dies und das. Ich zögerte, denn ich war mal hier, mal da. Aber Rich ließ nicht locker: ‘Jetzt mach’ erstmal Abitur und entscheide dich dann.’ Am Tag, als ich mein Abitur bestanden hatte, hing er wieder an der Strippe: ‘Und – hast du dich entschieden? Die Jungs sind in London. Komm doch auch. Wir wollen eine Weile in London leben.’ In London leben…? Ich war immer noch damit beschäftigt, was ich denn eigentlich studieren wollte, ob überhaupt… aber irgendwann willigte ich ein."

"Kurze Zeit später war ich in London und lebte mit Leuten, die mir bis auf den Manager Rich und den Bassisten Hub völlig unbekannt waren,” erklärt Kamal. Er konnte ja nicht wissen, dass jene „Leute” schon bald sein Kollegen der mittlerweile legendären „Roots” werden würden. Kamal sitzt mir in „The Studio” in Philadelphia gegenüber und scheint immer noch von jenem „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort”-Phänomen beeindruckt zu sein…

„Ich war einfach nur verfügbar. Ganz im Ernst: Gleich nach dem Abitur ging es los. Am Tag darauf war ich in einer Zweizimmerwohnung in London, in der wir zu siebt hausten. Das Leben dort, die Kämpfe um die Betten und wer in welchem Zimmer schlief… Wir haben uns damals ausschließlich von Fisch & Chips ernährt. Das war eine einzigartige Erfahrung. Ich war zwar schon ein paar Mal verreist, hatte aber noch nie so lange woanders gewohnt. Wir entwickelten uns zu einer verschworenen Gemeinschaft, obwohl wir kein Geld hatten. In gewisser Hinsicht waren wir damals eine Familie ohne ein geregeltes Einkommen. In solch einer Situation rauft man sich automatisch zusammen und baut etwas auf, das einem keiner mehr wegnehmen kann. Das einzige, das einem dann nämlich noch bleibt, ist Mensch zu sein. Sobald man auf die Straße geht, ist man allein,” sinniert Kamal.

Im nachhinein könnte man sagen, dass der Entschluss, gleich nach dem Abitur nach London zu fliegen, der klügste seines Lebens war. Die Roots haben mittlerweile einen Grammy gewonnen, mehrere „MTV Awards” eingeheimst und den „N.A.A.C.P. Image Award” für das beste Duo bzw. die beste Gruppe bekommen. Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass „Rolling Stone” die Jungs für eine der zwanzig besten Live-Bands der Welt hält!
„Als Prince durchbrach, dachte ich: O, der sieht ja fast wie ich aus. Wir waren beide spindeldürr und hatten diese riesigen Locken, die mich als kleinen Jungen fast zum Wahnsinn getrieben hatten.”
Kamals wichtigste Jugendeinflüsse waren Musiker wie Thelonious Monk, Herbie Hancock und Chick Corea, mit denen er schon sehr früh spielen durfte. Später interessierte sich Kamal dann für Prince (mittlerweile „The Artist Formerly Known As…”). „Als Prince durchbrach, dachte ich: O, der sieht ja fast wie ich aus. Wir waren beide spindeldürr und hatten diese riesigen Locken, die mich als kleinen Jungen fast zum Wahnsinn getrieben hatten.” lacht Kamal. „Damals begriff ich, dass ich unbedingt eine Gitarre brauchte. Damit kommt man nämlich bei den Mädchen an! Und so kaufte mir mein Vater eine Gitarre.” Den typischen Geschwisterzwisten ist es zu verdanken, dass Kamal Gray heute so ist, wie wir ihn kennen. Dazu meint er: „Irgendwann wollte ich Klavier spielen, weil mein Bruder Klavierstunde nahm. Ich pflegte ihm zu sagen, dass ich das, was er macht, schon lange konnte.” Wie wir heute wissen, haben die Klavierstunden auch ihm weitergeholfen. Im Hinblick auf seine Instrumente hat er sich ganz klar von seinen Vorgängern beeinflussen lassen.

Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der bis dato erfolgreichsten Workstation von KORG erzählt Kamal, wie er die Marke entdeckt hat. „Das erste KORG-Keyboard, an das ich mich erinnern kann, war der KORG M1. Ein Freund von mir spielte damals alle Parts auf seinem M1. Sogar mein Klavierlehrer besaß einen. Als ich anfing, Geld zu verdienen und mir mein eigenes Keyboard kaufen wollte, stieß ich auf die KORG Trinity. Jener Sound wurde von vielen bekannten Musikern verwendet. Deshalb kauften auch wir uns gleich mehrere Trinitys. Ich habe sie damals vor allem für die Programmierung von Beats benutzt. Irgendwann kannte ich jede einzelne Wellenform der Trinity, und da wurde es Zeit, mich nach etwas anderem umzusehen. Live spielte ich zwar noch eine Weile auf der Trinity, aber im Studio verwendete ich mittlerweile eine KORG TRITON. Und eben weil sie in den Aufnahmen geradezu gefeatured wurde, musste ich sie einfach auch mit auf die Bühne nehmen, weil dieses Teil einfach zu „The Roots” gehörte. Und das ging völlig reibungslos über die Bühne. Innerhalb kürzester Zeit wurde sie unverzichtbar für mich. Die TRITON ist seither mein wichtigstes Keyboard auf der Bühne, weil ich sie durch und durch kenne und genau weiß, wie ich sie einsetzen muss. Für mich war das Wichtigste an der TRITON das berührungsempfindliche Display. Schließlich ist das Steppen durch endlose Menüs im Live-Betrieb ganz einfach undenkbar. In der Regel brauche ich nur dreimal auf das Display zu drücken, um den gewünschten Parameter einstellen zu können.”

Das soll aber nicht heißen, dass sich Kamal nicht auch für neue und weiter reichende Lösungsansätze interessiert. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, demnächst einen KORG M3 zu verwenden, weil ich schon ungefähr weiß, wie ich die Sounds und Produktions-Tools einsetzen könnte. Wenn es irgend geht, will ich auf mein bisher erworbenes Wissen aufbauen. Ich habe im Lauf der Jahre mehrere Keyboards angetestet, die sich mir aber nie richtig erschlossen haben. Der M3 fühlt sich auf Anhieb vertraut an, obwohl er viele neue Dinge enthält. Ich kann mich also weiterentwickeln, ohne ganz von vorn anfangen zu müssen. Demnächst werde ich wohl häufiger damit arbeiten. Und wer weiß, vielleicht ersetzt er eines Tages die TRITON. Der M3 bietet alles, was ich von einem Keyboard erwarte. Und da ich mir auch Sounds wie das Rhodes meinen Vorlieben entsprechend ‘bauen’ kann, ist der M3 eigentlich so etwas wie eine Idealbesetzung.”

Obwohl sich Kamal erst kurz vor unserem Interview mit dem M3 befasst hatte, war seine Produktkenntnis bereits erstaunlich. „Mir gefallen die Effektoptionen, die Erweiterungsmöglichkeiten, der Umstand, dass man noch viele Dinge hinzufügen kann wie z.B. einen RADIAS. Die Pads sind ebenfalls eine Superidee. Mit den Pads kann man bei Bedarf ganze Akkorde spielen. Es wird aber noch eine Weile dauern, bis ich all diese Funktionen sinnvoll einsetzen kann.” Und er erinnert sich an noch etwas: „Die KAOSS-Pad-Funktion im druckempfindlichen Display wird bestimmt lustig, weil sich das live sehr effektiv für Soli einsetzen lässt!”

Kamal ist ein durch und durch bodenständiger Musiker (selbst wenn er einen mit Diamanten besetzten Grill von Paul Wall besitzt) und stolzer Vater, der sich sehr für die Möglichkeiten einer neuen Musikergeneration interessiert. „Weißt du, ich habe schon so viele Dinge gemacht, die ich mir als Kind nicht einmal hätte träumen lassen, dass ich immer noch ganz benommen bin, wenn ich bloß daran denke. Ich habe mit den Besten gespielt, habe mit den Besten Kontakt und habe schon mit den Besten an einem Tisch gesessen. Weißt du, was ich meine? Ich war schon überall und habe mehr gemacht als ich mir jemals vorgenommen habe. Ich glaube, mein wichtigstes Verdienst ist, dass ich nie vorzeitig aufgegeben habe. Selbst als es uns dreckig ging, habe ich nie daran gedacht, den Krempel einfach hinzuschmeißen. Ich habe geduldig gewartet, bis ich an der Reihe war und auch danach immer weiter gemacht. Ich kann gar nicht anders.”