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Künstler

2014.01.01

Mario Pecoraro > Die Seer

MELODIEN FÜR MILLIONEN

DIE SEER MUSIZIEREN SEIT KNAPP 20 JAHREN AN DER SPITZE - KEYBOARDER MARIO PECO-RARO UND DIE GEHEIMNISSE DES ERFOLGES

„SEERISCH IST EIN LEBENSGEFÜHL"

Das deutsch-österreichische Verhältnis könnte man, mit ein wenig Stichelei im Gepäck, auch als sogenannten „Running Gag“, einen fortlaufenden, unschuldigen Scherz interpretieren. Irgendwie mag man sich, nicht selten sogar sehr, bisweilen werden die bestehenden Stereotype aber auch gerne gehegt und gepflegt und befeuert. Ja, auch die Gnade der späten Geburt hat das Wissen um Cordoba 78 nicht verhindert. Und ja, ein Kalauer auf Kosten der Ösis muss immer drin sein. Nein? Doch, oder? Nein? Auch nicht ein kleiner? Heute nicht? Okay, dann nicht! Zumindest nicht in musikalischen Zusammenhängen. Da produziert die einschlägige Industrie der Alpenrepublik regelmäßig sehr gute Produkte, deren Halbwertszeit Genre übergreifend äußerst beachtlich ist. Dann assoziieren wir mal los, was haben sie uns nicht alles geschenkt unsere Freunde auf der anderen Seite der großen Berge? Die großartigen und fälschlicherweise auf „Fürstenfeld“ reduzierten Folkmusikanten Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz beispielsweise, dem geneigten Frühschoppenliebhaber besser bekannt als STS, feilgeboten von jedem drittklassigen Alpen- und Nichtalpenquartett. Den Ambros Wolfgang natürlich, unbedingt Fendrich Rainhard und natürlich den Hubert von Goisern. An dieser Stelle sei zwingend eingeschoben, dass Bad Goisern zu den schönsten Fleckchen Österreich überhaupt gehört und es aus Hubertperspektive geradezu logisch ist, die heißgeliebte Heimat in den ansonsten wenig egozentrischen Bandnamen zu integrieren. Den jüngeren Radiohörern kommt sofort Christina Stürmer in den Sinn und seit der für seine berauschenden Formate bekannte Fernsehsender VOX mehr oder weniger bekannte Songs mehr oder weniger bekannter Künstler tauschte, ist Andreas Gabalier zwar nicht in aller Munde, aber immerhin auch in Deutschland prominent Chart platziert und auf dem Bravo-Radar. Ganz zu schweigen von Dutzenden Megasellern aus dem weiten Feld der Volksmusik. Deutschland mag Musikimporte aus dem länglichen, ziemlich schneesicheren Nachbarland gerne hören, gerne kaufen, gerne auf hiesigen Bühnen anschauen.

Längst nicht immer haben österreichische Acts aber auch Ambitionen, den zweitwichtigsten Musikmarkt weltweit in Gänze zu erobern. Sprechen wir über Die Seer, eine achtköpfige Band aus der beschaulichen Steiermark. Nördlich von Aschaffenburg haben die sechs Jungs und zwei Mädels, allesamt gestandene Künstler möglicherweise noch Geheimtippstatus, alles darunter ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit infiziert von dieser einzigartigen, tatsächlich besonderen, weil stilistisch nicht zu greifenden Musik. Obwohl, bei der großen Deutschlandtour stehen auch Berlin, Hamburg und Köln auf dem Programm, für den gemeinen Österreicher fast schon skandinavische Gefilde. „Seerisch ist ein Lebensgefühl“ legen die Homepagedienstleister Mastermind und Bandchef Fred Jaklitsch in den Mund und treffen den Nagel damit auch einigermaßen objektiv betrachtet ohne jeden Zweifel auf den dicken Kopf. Dieses Lebensgefühl kann durchaus auch in Berlin, Hamburg und sowieso Köln ziemlich spürbar sein. 17 Platten sind es in 19 Jahren Bandgeschichte mittlerweile, sieben Mal schoss das neue Album der Band von 0 auf 1. Beim soeben schick vom ORF in Szene gesetzten Open Air am Grundlsee haben die Organisatoren bei 25.000 Besuchern aufgehört zu zählen, in der Nachbetrachtung des aufsehenerregenden Events vor nicht minder spektakulärer Kulisse gehört das Adjektiv episch in die engere Auswahl.

„WIR SPIELEN FÜR UNSERE FANS, SIE ALLEIN SIND IN UNSEREM FOKUS..."
Die Seer gehören seit Jahren zu den in jeder Hinsicht erfolgreichsten Musikprojekten Österreichs. Da sich längst auch diesseits der Alpen herumgesprochen hat, dass es tatsächlich leichter ist die Spitze zu erreichen als dort über einen längeren Zeitraum zu verweilen, gehen wir diesem Erfolg auf den Grund. Kronzeuge ist Mario Pecoraro, lebenslustiger und auskunftsfreudiger Keyboarder der Kapelle, mit jeder Menge Schmäh aus Wien, wie wir ihn lieben.

„Im Grunde ist das Geheimnis unseres Erfolgs kein wirkliches Geheimnis, weil es bei vielen anderen Künstlerkollegen auch sehr beeindruckend funktioniert. Wir spielen für unsere Fans, sie allein sind in unserem Fokus. Jedes Album, jeder Auftritt, ob im Fernsehen oder auf der Bühne unseres Heim-Open Air, unser musikalisches Schaffen hat das Ziel, unseren großartigen Fans eine gute Show mit unserer Musik zu bieten“, analysiert Pecoraro. „Wir erleben, dass sich diese Bemühungen auswirken, die Fans kaufen unsere Platten, kommen zu unseren Konzerten, sie bleiben uns treu."

Die intensive Beschäftigung mit dem Musikgeschäft in den vergangenen Jahrzehnten fördert allerdings ein Ergebnis zutage, das der gelebten und geäußerten Erfahrung von Mario Pecoraro tatsächlich noch eine weitere Erfolgskomponente hinzufügt. Die Fans in der Mitte zu halten, versuchen viele Helden der Vergangenheit und Gegenwart. Und der Musikus ist gewarnt: ändert er an dieser Ausrichtung etwas, wagt ein Ego etwa den Angriff auf das Kollektiv oder entfernt sich der gefühlte eigene Selbstwert von einem musikalischen Lebenszeichen zum nächsten spürbar von dem realen, werden aus begeisterten Fans sehr schnell überaus nachtragende Ex-Fans. Erfolg ist ein gar flüchtig Ding. Darüber hinaus ist aber noch dieser wichtige Aspekt, die zweite elementare Voraussetzung nachhaltigen Erfolgs, bestätigt auch der Seer-Tastenmann:

„Herausragendes handwerkliches Können und technisches Knowhow sind absolute Standards im professionellen Musikgeschäft. Wir haben mit unserem Technikpartner Redline die herausragendste Firma im ganzen Land für uns gewinnen können. Gepaart mit unserem tontechnischen Leiter Markus Köhler und unserem Licht- und Stagedesigner Manfred Nikitser ist hier ein großartiges Team am Werk. Wer sich unsere Live-DVD vom Grundlsee-Open Air 2014 ansieht, wird sich davon selber ein Bild machen können wie wichtig und wie ernst wir den technischen Aspekt einer Live-Show nehmen.“
„MEIN KORG-EQUIPMENT IST WIRKLICH COOL, ES SPIELT SICH QUASI VON ALLEINE."

Und zum Thema Herausforderungen hat auch Mario Pecoraro eine Wortmeldung abzuarbeiten. Obwohl er sich selbst nicht als typischen Keyboarder mit Hang zu experimentellen Sounds sieht, ist seine persönliche Ausstattung opulent. KORG SV-1 88, KRONOS X 61 und M3 stehen für vielfältige musikalisch-technische Optionen.

„Mein KORG-Equipment ist wirklich cool, es spielt sich quasi von alleine. Auch wenn ich als Pianist eher von der akustischen als der digitalen Seite komme, macht speziell das Programmieren am neuen Kronos richtig viel Spaß.“ Der passionierte Klavierspieler weiß mittlerweile ziemlich genau, welche unerschöpflichen Potenziale sich in seinem digitalen Reich verbergen. „Das SV-1 88 macht den Hauptjob bei jeder Show. Piano und Rhodes kommen alle vom SV-1 88, der Rest vom Kronos. Orgeln, Strings, Pads, FX und andere Synth- und Solo- Sounds. Ich splitte dann meistens nicht nur am Kronos, sondern lege auch einiges zusätzlich am SV-1 88 ab.“

Die Seer lieben die Shows vor ihrem Publikum, immer wieder zieht es sie zurück auf die großen und durchaus auch kleineren Bühnen wie im Herbst bis in die Advents- und Weihnachtszeit im Rahmen einer kleineren Akustiktour unter dem vielsagenden Claim „Stad“, zu hohem Deutsch „Ruhig“. Ja, der Dialekt. Schon ein bemerkenswertes Phänomen, das sich Mundartbands wie Die Seer über einen derart langen Zeitraum an der Spitze halten können. In Deutschland kennt man das etwa von Wolfgang Niedeckens nimmermüden BAP; beeindruckt von deren über viele Jahre durchschlagender Livearbeit ließ sich sogar schon Bruce Springsteen zu Bühnen-Kollaboration hinreißen.

„Bei uns ist neben der Livepräsenz sicher auch ein Pluspunkt, dass wir stilistisch tatsächlich eine beachtliche Bandbreite haben. Eigentlich sind wir eine Popgruppe, deren Musik sich aus verschiedenen Quellen speist und die in Mundart singt“, mutmaßt Mario Pecoraro.

„Man muss auch sagen, dass die Texte von Fred Jaklitsch unter die Haut gehen. Dazu haben wir schon einen sehr speziellen Sound.“

Seerisch eben. Und auch wenn es mit der Verständigung über die Alpen hinweg das eine oder andere Problemchen gibt, wir reden über Melodien für Millionen.