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Extras

Künstler

2014.01.01

Jan Delay

Interview mit Jan Delay, Kaspar Tropf Wiens
und Jonas Landerschier

Bock auf Rock

Als musikalisches Chamäleon kennt man Jan Delay bereits. Der Hamburger Hip-Hopper geht gerne mal fremd – rein musikalisch, versteht sich. Auf seinem neuen Album „Hammer und Michel“ gibt er jetzt den Rocker. Natürlich nicht in schwarzem Leder und Nieten. Selbst zum weltgrößten Metal-Festival fährt er in schneeweißem Anzug und rosafarbener Krawatte und singt nasal wie eh und je: „Tschüss, ihr Spacken, ich geh nach Wacken.“ Wir trafen Jan Delay in Berlin und sprachen mit ihm, Produzent Kaspar Tropf Wiens und Keyboarder Jonas Landerschier über musikalischen Grenzgang und warum man für guten Rock KORG braucht.

Jan, du hast mal in einem Song gesungen: „Wer als Hip Hopper nur Hip Hop macht, mag und hört, betreibt Inzest.“ War es also die Angst vor Inzest, die dich dazu getrieben hat, mit „Hammer und Michel“ jetzt ein Rock-Album rauszubringen?

Jan: Nein, das hat nichts mit Angst vor Inzest zu tun. Ich habe ja vorher auch schon andere Dinge gemacht – Reggae, Funk oder Soul. Das liegt daran, dass ich verschiedene Musiken höre und mich schnell langweile. Ich finde es aufregend und toll und spannend, etwas Neues zu machen.

Wie sieht denn überhaupt deine Rock-Sozialisation aus? Du bist ja in einer Art Kommune großgeworden – da könnte man meinen, du hättest Rock quasi schon mit der Muttermilch aufgesogen.

Jan: Nee, überhaupt nicht. Ich habe eine reine Hip Hop-Sozialisation. Der Grundgedanke des Hip Hops ist aber, dass man sich überall bedienen kann. Elemente nimmt, die man gut findet, und unter Zugabe der eigenen Ideen etwas Neues kreiert. Das hat schon Afrika Bambaataa, der Godfather des Hip Hop, so vorgemacht. Daher muss ich auch nicht zur Rock-Szene gehören oder damit aufgewachsen sein, um Rock zu machen. Ich hatte Bock auf Rock – schon wegen des Reims. Es ist schön, wenn man so unbedarft da rangehen kann und nichts von diesen ganzen Gesetzen und Regeln und Grenzen weiß, die es in der Rockkultur so gibt. Das alles ist uns herzlich egal. Wir wollen einfach schöne Musik machen.

Kaspar, wie reagiert man denn als Produzent, wenn Jan plötzlich verkündet: „Als nächstes will ich eine Rockplatte machen!“?

Kaspar: Man geht nach Hause und schlägt sich die Nächte in irgendwelchen Internet-Foren um die Ohren, wo man herauszufinden versucht, wie Rock funktioniert. Wie kreiere ich diese Sounds? Wie stelle ich das an? Das Gute ist aber, wie Jan schon ganz richtig gesagt hat, dass wir mit dem Hip Hop aus einer Art Recycling-Musikkultur kommen. Einem sehr kreativen Recycling. Wir hören uns die unterschiedlichsten Sachen an, finden sie geil und versuchen, etwas Eigenes daraus zu basteln. Außerdem ist es bei Jan egal, in welchem Genre er sich bewegt. Sobald er zu der Musik seine genialen Texte singt, ist es sowieso wieder eine Jan Delay- Platte. Das ganze Tohuwabohu entsteht ohnehin nur, weil er sich zu Beginn hinstellt und herausposaunt: „Als nächstes mache ich ein Rock-Album.“ Wenn er das nicht tun würde, würden alle sagen: Ja, ok, das ist halt die neue Jan Delay- Platte mit ein paar mehr Gitarren drauf.

Jonas: Das stimmt. Wenn Jan Hip Hop macht oder Funk und Soul, horcht keiner auf. Wenn er verkündet, dass er Rock machen will, fühlt sich jeder Feuilletonist bemüßigt, seinen Kommentar abzugeben, weil er glaubt, sich da auszukennen.


Dann waren die ersten Sessions zum neuen Album also so eine Art große, wilde Experimentier-Gaudi?

Jonas: Na ja, als Gaudi würde ich es nicht bezeichnen. Es war einfach verdammt spannend, mit was Jan diesmal um die Ecke kommen würde. Mittlerweile ist er ja so technikaffin, dass er Riffs und Texte auf das Diktiergerät seines IPhones singt. (lacht)

Kaspar: Gott sei Dank haben wir mittlerweile unser eigenes, richtig geiles Studio mit Aufnahmeraum, wo immer alles stehenbleiben kann. Man geht einfach nur rein, schaltet die Instrumente ein und kann loslegen. Alle versammeln sich, einer hat eine Idee, und alle anderen können dazu ihre Gedanken fließen lassen. Bei einer drei- bis viertägigen Session kommen immer drei bis vier neue Songkonstrukte heraus.

Habt ihr euch irgendwann noch fachliche Hilfe dazu geholt?

Kaspar: Ja, zu einem relativ späten Zeitpunkt haben wir festgestellt, dass wir das doch nicht so ganz allein hinkriegen. Da haben wir uns dann noch Jörg Sander dazu geholt, ein absolut großartiger, toller Gitarrist, der schon mit den unterschiedlichsten Leuten zusammengearbeitet hat – unter anderem mit Udo Lindenberg. Jörg hat ein irres Lexikon an Wissen was Gitarren-Sounds und Amps angeht. Er besitzt wahnsinnig viele verschiedene Gitarren und weiß ganz genau, wie er die Sounds kreiert, die wir wollen. Er war eine riesige Hilfe.

Jan: Der kann dir zum Beispiel sagen, welche Gitarre bei dem und dem Solo in dem und dem Guns N’ Roses-Song gespielt wurde. Krass.



Wie lang habt ihr an dem Album gearbeitet?

Kaspar: Oh, je, drei Jahre!


Drei Jahre???

Kaspar: Also gut, wenn man es mal netto rechnet, würde ich sagen anderthalb Jahre. Wir haben angefangen in einem Tschechien-Urlaub 2010. Da hatten wir ein paar Instrumente dabei und haben Sessions gemacht.

Jonas: Da wurde aber Jazz gespielt!

Kaspar: Ja, aber dabei ist der Song „Hertz 4“ geboren worden. Allerdings hatten wir dann noch Touren und Konzerte mit der alten Platte, weshalb wir nicht so wahnsinnig konsequent daran weitergearbeitet haben. Die nächsten Sessions gab es dann 2011, bei denen die anderen Songs entstanden sind. Nachdem alle Songs soweit standen, haben Jan und ich auf jeden Fall ein Jahr lang fünf Tage die Woche je zwölf Stunden daran gearbeitet. Bei diesem Album haben wir nämlich erst mal von jedem Song ein Demo aufgenommen, um dann alles nochmal richtig ordentlich einzuspielen.



Für „Hammer und Michel“ seid ihr auf KORG-Equipment umgestiegen. Wie kam es zu der Kooperation?

Jan: Wir wollten für die neue Platte einen Sound, der noch ein bisschen satter ist, voller und aggressiver. Rhodes war für die vorigen Alben wunderschön, aber es war nicht das Richtige für das neue Album. Als sich der Mitbewohner meiner Freundin ein KORG SV-1 gekauft hat, habe ich ein bisschen daran rumgedaddelt und dachte nur: Hey Alter, das ist ein unfassbar geiler Sound!
Genau dieser Wurlitzer-Sound. Dann haben wir das alle zusammen noch mal im Musikladen ausprobiert und dann war klar, dass wir uns für die erste Session ein SV-1 ausleihen. Wir fanden’s alle megageil und sind danach auf KORG zugegangen und haben gefragt, ob wir nicht in Zukunft kooperieren können, denn irgendwie haben wir Kooperationen mit anderen Firmen, kaufen uns aber ständig nur die extrem derben guten KORG Produkte.

Ihr habt zwei KORG SV-1. Ihr benutzt KORG Kaoss Pads, microKORG XLs und diverse andere KORG-Produkte. Was ist für euch das Besondere daran?

Jan: Das soll jetzt nicht platt klingen, zumal ich ja auch gar kein Keyboarder bin, aber ich habe in den letzten 20 Jahren verdammt viele Keyboards einfach mal angespielt. Und wenn ich das SV-1 anspiele, dann ist das unglaublich krass. Ich denke einfach nur: Boah!

Jonas: Ich als Keyboarder muss außerdem mal sagen, dass das SV-1 perfekt gemacht ist. Weil es Regler hat, die man einfach nur dreht – ohne dieses ganze Programmieren. Das versteht man einfach. Du kannst die Verzerrung sofort abschalten. Der Hall ist direkt weg, wenn man dreht. Bei vielen anderen Keyboards denkst du: Da ist ein Hall drauf auf dem Sound – wie krieg ich den jetzt weg?

Kaspar: Es ist auch toll von der Haptik, vom Design, ein fach alles. Übrigens spiele ich schon mit KORG, seit ich fünfzehn bin. Mein erstes Keyboard war ein KORG M-1.

Jonas: Das kann ich von mir auch behaupten. Ich habe meine erste Filmmusik mit dem M-1 gemacht.



Jan, du hast dich schon in vielen Musikstilen getummelt – Hip Hop, Rap, Soul, Funk, Reggae, jetzt Rock – hast du keine Angst, dass deine Fans die ständigen Genrewechsel irgendwann nicht mehr mitmachen?

Jan: Ich bin ja kein Dienstleister, sondern Künstler. Ich mache das, was ich machen will. Deshalb stehe ich jetzt da, wo ich stehe. Wenn ich mir Gedanken darum machen würde, was vielleicht irgendjemand will oder nicht will, dann würde ich in fünf Jahren keinen einzigen Song fertigkriegen. (lacht). Ich muss das machen, was in mir drin ist. Was die Fans vielleicht wollen, muss mir in diesem Moment egal sein.

Kaspar: Und selbst wenn du über Jahrzehnte bei deinem Genre bleibst, wird es trotzdem immer Leute geben, die sagen: „Ach, die neue Platte ist aber nicht so geil wie die alte.“ Darum darf man sich einfach keinen Kopf machen und fertig.

Jan: Genau. Außerdem will ich einfach nicht immer die gleiche Platte machen.