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Künstler

2017.04.26

Arne Wiegand > SANTIANO

„AUF KEINEN FALL KÜNSTLER“

Vor wenigen Jahren noch lag Santiano in Form wagemutiger Pläne in einer norddeutschen Schublade. Heute gehören sie zu den erfolgreichsten Acts des Landes, in seinen Plattenläden und auf seinen Bühnen. Einmal Spitze und sicher nicht zurück. Multiinstrumentalist Arne Wiegand sorgt bei den sagenumwobenen Live- Auftritten der Combo für die Tastensounds. Und hat in kurzer Zeit viel erlebt. Ein Gespräch über Piraten, Stimmungen und das, was wir alle niemals aufhören werden zu lieben: Leidenschaftliche Musik.

Ich kenne Henry Ford nicht persönlich. Natürlich nicht. Wie auch? Manchmal frage ich mich aber, mit welchen Erwartungen er seine sehr spezifischen Änderungen in den Produktionsprozessen angestoßen hat, die bis heute den Ruf der legendären Automarke begründen. Waren sie euphorisch, die Erwartungen? Lag der Entscheidung zugunsten der revolutionären Innovation Fließbandarbeit wirtschaftlicher Druck zugrunde? Oder einfach nur die unbesiegbare Überzeugung, das Richtige zu tun? Zufriedenstellende Antworten auf diese Fragen sind wohl nicht ohne größeren Aufwand zu bekommen, darum beschränken wir uns heute mal auf eine erstaunliche Analogie zum Ford’schen Mut in der musikalischen Zeitgeschichte.

VON NULL AUF HUNDERT IN NICHT EINMAL ZWEI JAHREN
Eine Band zusammenzustellen ist nach gefühlt 105 Jahren schlechter Imitation des Formats Castingshow nicht das wuchtigste aller Konzepte. Dies allerdings nicht vor TV-Kameras umzusetzen, mag mit geringerem kommerziellen Risiko verbunden sein, aber auch ohne einschaltende oder eben nicht einschaltende Zuschauer kann man als Ideengeber für alle Zeiten verbrannt sein im unbarmherzigen Musikbiz. Risiko war also allemal ein Faktor, als SANTIANO 2011 das Licht der Welt erblickte.

Hartmut, genannt Hardy Krech, Inhaber und Mitgründer des dem Fußvolk und auch manchem Experten dann doch unbekannten Labels „Elephant Music“ ist SANTIANOS Erzeuger, Geburtshelfer und Pate gleichermaßen, um mal eine lebende Metaphorik zu nutzen. Ein Vorgang, auf den Krech spezialisiert ist: Seit „Elephant Music“ Ende der Neunziger in Flensburg gegründet wurde, hat er kaum ein Projekt angestoßen, das sich nicht verkauft hätte wie geschnitten Brot. Der Mann steht für Einheiten, zahllose Einheiten, goldene Schallplatten, Platin, Doppelplatin, ja, auch Dreifachplatin. Das alles auch in Zeiten, als sich die Industrie auf der verzweifelten Suche nach dem verlorenen Schatz von einer Lächerlichkeit in die nächste katapultierte. Langsam werden die Zahlen wieder schwarz, es steht zu vermuten, dass die von „Elephant Music“ gar keine andere Farbe kennen.

Dennoch scheint SANTIANO auch für brillanten Köpfe aus dem Norden eine spezielle Unternehmung gewesen zu sein: Stilistisch mag man die sehr besondere Mischung aus Seemannsliedern, sehr tanzbarer Rhythmik mit irischer Anmutung, Schlager und Volksliedgut noch über Hartmut Krechs Heimat Flensburg herleiten; das Meer hat schon tausende Menschen zu großartigen Gedanken, Büchern, natürlich Songs, Bildern, in Summe wertvollen Ideen inspiriert.

Die personelle Umsetzung allerdings ist alles andere als normal oder logisch, zeugt aber von größtem Sachverstand und einem Riecher, der einem Dagobert Duck alle Ehre gemacht hätte. Auf fünf gestandene, weil überdurchschnittlich gut ausgebildete und sehr erfahrene Musikantenmenschen fiel die Wahl Krechs, darunter mit Pete Sage eine künstlerisches Schwergewicht von Gottes Gnaden, dessen Lebenslauf illustre Namen wie Mike Oldfield und, das ist in Deutschland definitiv ein Ausrufezeichen, Marius Müller-Westernhagen führt. Wer weiß, welche Kriterien die Session- und Bandmusiker von Westernhagen über all die Jahre vorweisen mussten, bekommt eine Vorstellung vom handwerklichen Knowhow des Pete Sage und damit natürlich auch vom Potenzial SANTIANOS, dessen andere vier festen Mitglieder Hans-Timm Hinrichsen, Axel Stosberg, Björn Both und Andreas Fahnert ähnliche Meriten aufweisen können.

Seit 2012 hat SANTIANO drei Alben veröffentlicht, die allesamt die Spitze der Verkaufscharts erklimmen konnten. Weitaus beachtlicher noch als diese nachhaltigen Ausrufezeichen scheint, dass dieses Projekt an allen bekannten Fronten funktioniert: Die Menschen kaufen über alle Ausspielkanäle und jedes Alter hinweg, das ist verbürgt. Die Industrie vergibt in einem wahren Anerkennungsrausch verdiente Auszeichnungen und die Shows sind spektakulär wie unerwartet wie ausverkauft.

Natürlich Irland, man reist gerne zur See und das ZDF dokumentiert fleißig. Waldbühne Berlin hat mit Wasser nix zu tun, fasst aber mehr als 20.000 enthusiastische SANTIANO-Fans, Helene Fischer-Support wird sicher nicht die berüchtigte Laufkundschaft. Das ultimative Knallbonbon aber, liebe Freunde der Sonne, erreichte die Band bereits im direkten Anschluss an Arbeitsnachweis Nummer eins im Jahr 2012: Sie wird für das Wacken Open Air gebucht! Jaaaaa, Wacken. Kein Druckfehler. Wacken. Krankenkassen und Hals-Nasen-Ohren-Medizinmännern ein Graus, auf dem internationalen Festivalkalender gelb eingefärbt und großartiger Reputation ausgestattet. SANTIANO spielen ein Set, in dessen Rahmen die ganze Klasse der Musiker zum Vorschein kommt und das teils spektakulären Überraschungsmomenten aufwartet. Ein gefeierter Gig, selten war die Begrifflichkeit Feuertaufe wörtlicher zu verstehen und passender zu gebrauchen.

Livepräsenz ist ein Schwerpunkt des Konzepts von SANTIANO und diese Präsenz wird von Beginn an weiterentwickelt und perfektioniert: Auch mit weiteren Musikern, die den speziellen Bandsound weiter vervollständigen, abrunden, sicherlich auch bereichern.

Arne Wiegand ist einer von drei Künstlern, die SANTIANO fast seit Projektstart bei ihrer fleißigen Konzertarbeit unterstützen. Einer, der perfekt ins Anforderungsprofil eines ambitionierten Plans passt: Ein auf höchstem Niveau ausgebildeter Multiinstrumentalist und Tonmeister mit einer Menge Erfahrung und dennoch keiner, der mehr sein will als zuverlässiger, hoch motivierter Rollenspieler, keine Rampensau im üblen Sinne, sondern ein freundlicher, bescheidener Teamplayer. Im Fußball tragen Spieler wie Arne Wiegand die 6 oder die 8 und fallen erst dann auf, wenn sie einmal nicht dabei sind. Es gibt kaum ein schöneres Kompliment. Nicht im Fußball. Nicht im Musikerleben.

Arne Wiegand hat viel gesehen über die Jahre auf Tour mit SANTIANO. Er ist ein Gesprächspartner wie gemalt, um Zusammenhänge in der kurzen, aber überaus knackigen Bandgeschichte zu verstehen, Höhepunkte zu identifizieren, das Gesamtkunstwerk und auch, warum SANTIANO fast schon unheimlich gut funktioniert in deutschen Landen und auch schon mal in Irland. Siehe oben. Außerdem ist seine Passion omnipräsent. Und seine Liebe zu Tasten aller Art.
„ICH HABE SELTEN EINEN ACT GESEHEN, DESSEN PUBLIKUM DERART GEMISCHT IST“

SANTIANO hat eine besondere Entstehungsgeschichte, die fast ein wenig an Castingshows erinnert, eben nur ohne Casting. Wie erklären Sie sich den Erfolg dieser Idee? Von Null auf hundert in nicht einmal zwei Jahren und Etablierung an der Spitze.

Zunächst einmal kann ich diese Frage nur aus der Perspektive des Musikers beantworten, der zwar live fest dabei ist, aber eben kein direktes Bandmitglied. Ich glaube, dass die fünf Jungs, die SANTIANO ausmachen, schlicht und ergreifend extrem authentisch sind. Die Charaktere passen zueinander und auch zum Thema, zu den Songs. Das ist für mich ohne jeden Zweifel der Grund für den Erfolg und auch, warum die Menschen dieses Projekt gerne annehmen.

Ob der Erfolg der Band vor ihrem Start 2011 abzusehen war, vermag ich nicht zu sagen. Manchmal scheitern Musiker mit dem größten Talent und wieder andere werden vom Publikum angenommen, wo man sich schon fragt, wie das passieren konnte. Ich glaube, dass man über das künstlerische Potenzial der Band nicht hätte streiten können, das haben die Macher schon sehr gut ausgetüftelt. Ob sie den Erfolg in diesem Umfang vorhergesehen haben, kann ich mir nicht vorstellen.

Zumal SANTIANO stilistisch mit dieser Melange aus Schlager, Volksliedgut, rockigen Elementen und auch Irish Folk eine gewisse Nische ausfüllt, gleichzeitig aber tatsächlich kein limitiertes Publikum hat. Warum funktioniert dieses Konzept?

Ich habe selten einen Act gesehen, dessen Publikum derart gemischt ist. In der ersten Reihe stehen Kinder neben älteren Menschen, Familien und Jugendliche. Und es funktioniert auch überall, eben nicht nur im Norden, wo man mit Begrifflichkeiten wie Meer und Freiheit vielleicht eher etwas anfangen kann als in anderen Landesteilen. Komischerweise haben wir besonders großen Erfolg im Osten und, nach zugegebenermaßen schleppendem Beginn, auch im Süden. Wir erreichen unsere Zielgruppen über die Altersgrenzen hinweg wirklich überall. Menschen, denen wir scheinbar irgendetwas zu bieten haben, die von uns etwas mitnehmen und dann eben auch gerne zu den Konzerten kommen.

Genau dieser Punkt ging mir tatsächlich in der Vorbereitung auch durch den Kopf: Wir leben in gesellschaftspolitisch unruhigen Zeiten, in denen Menschen bekannte Werte und vielleicht auch ein bestimmtes Lebensgefühl fokussieren, um über diese alten Sicherheiten den stürmischen Zeiten mit einer Art Hafen zu begegnen. Tragen Sie mit SANTIANO und ihrem sehr spezifischen Sound, ihren Themenwelten zu dieser Sicherheit bei?

Ja, absolut. Ein guter Gedanke. Es geht bei uns ja nicht ausschließlich um das Meer, Seefahrerei und Sehnsucht. Der rote Faden sind eher die Themen Freiheit und Freundschaft, etwas sehr erdiges, das den Menschen natürlich auch helfen kann, sich in ihrem Alltag zu orientieren und ihnen damit auch Sicherheit bietet. Genau das ist aus meiner Sicht auch der Grund dafür, warum wir auch im Süden richtig gut funktionieren. Die haben kein Meer, aber ihre Berge und damit auch eine sehr starke Naturverbundenheit. Diese ausgeprägte Liebe zur Natur, der Bezug zur Natur findet sich in unseren Songs auch sehr regelmäßig wieder.

Was die Konsumenten nicht in vollem Umfang nachvollziehen, aber im Kontext der Frage in meinen Augen eine große Rolle spielt, ist die Anlage der Songs, ihre Eingängigkeit und dass man sie gut erinnern kann. Unsere Musik ist eben nicht kompliziert, im Gegensatz zu unserem Leben möglicherweise.

Und weil ich vorhin auch von Kindern im Publikum sprach, was tatsächlich keine Ausnahme ist: Ich glaube, die werden ausschließlich von unseren Piratenthemen angezogen. Die machen sich ja keine Gedanken über Dinge wie Freiheit, sondern die sehen nur „Hey ho, Piraten“ und schon läuft es. Es wäre sicher spannend zu sehen, ob SANTIANO vor 20 Jahren den gleichen Erfolg gehabt hätte. Die Beantwortung dieser Frage würde uns einen klaren Hinweis darauf geben, ob wir mit unserer Musik tatsächlich auch besonders gut in die jetzige Zeit passen, weil wir die Menschen abholen aus einem vielleicht schwierigeren, komplizierteren Alltag. Definitiv ein spannendes Thema.

ERFOLG SIEHT NUR VON AUSSEN BETRACHTET SEHR LEICHT AUS

SANTIANO ist eine handwerklich herausragend gute Band. Sie haben eben die guten Hooks angesprochen, ein Erfolgsrezept alt wie die Menschheit, das seine Gültigkeit niemals verlieren wird. Ihre Konzerte werden ob der immensen Energie und Spielfreude überall gelobhudelt. Wenn man diese Konstellation mit noch deutlich mehr Facetten und Umständen anschaut, ist Erfolg doch eigentlich zwangsläufig, oder?

Naja, vielleicht. Ich muss bei dieser Frage an Menschen in unseren Konzerten denken, die offensichtlich mitgebracht wurden und dann mit verschränkten Armen irgendeinen Schlagerkram erwarten. Das lässt sich hin und wieder wirklich beobachten, was ich ganz witzig finde. Nach kurzer Zeit sind aber genau die Menschen Teil eines Publikums, das zwei Stunden am Stück Party macht, mitsingt, tanzt, sich die Hände wund klatscht. Ich habe noch keinen Menschen gesehen, der auch mit verschränkten Armen nach Hause gegangen ist; die sind alle aus dem Häuschen.

Trotzdem haben wir durchaus auch mit Vorurteilen zu kämpfen. Vielleicht weniger bei den Kollegen, aber durchaus auch mal bei Freunden. Als ich denen erzählt habe, dass ich jetzt bei SANTIANO mitmache, fanden das viele mindestens so lange komisch, bis ich sie mitgenommen habe zu einem Konzert. Danach waren sie begeistert.

Erfolg sieht von außen betrachtet oft sehr leicht aus, gründet sich in aller Regel aber auf extrem viel Disziplin, einer Menge Verzicht und vor allem unfassbar viel Arbeit. Wie viel Blut, Schweiß und Tränen stecken in SANTIANO?

In erster Linie richtig viel Arbeit, das muss ich so sagen. Wenn man die Bandgeschichte anschaut, steckt da von Anfang an richtig viel konzeptionelle Arbeit, ja, Hirnschmalz drin und sicher auch eine Menge schlaflose Nächte. Was man leicht vergisst: Sich dann auch in diesem konzeptionellen Rahmen zu bewegen, thematisch, textlich, ist eine große Herausforderung. Wir wollen ja schon inhaltliche Schwerpunkte, ohne uns dabei aber zu wiederholen. Den roten Faden immer wieder zu finden, zu halten, zu verfolgen, ist immens viel Arbeit.

Und wenn ich an unsere musikalischen Aufgaben und Herausforderungen denke, muss ich über einen Haufen Arbeit reden. Wir müssen uns die Shows erarbeiten und dann auf gleichbleibend hohem Niveau Abend für Abend wieder abrufen. Es ist ja eben nicht so, dass wir die Platte eins zu eins nachspielen, das funktioniert nicht. Die Songs müssen für die Konzerte neu entwickelt werden. Und es gehören nicht nur die Songs dazu, auch so Dinge wie das Bühnenbild, unsere Klamotten, Abläufe. Wir müssen uns auch mit einer Menge Menschen zurechtfinden: Produzenten, Bühnenbildner, Designer, Lichtmenschen, Toningenieure, Manager. Keine Frage: Wir arbeiten sehr hart für dieses Ergebnis.

Also kein paradiesisches Leben mit Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll?

(lacht). Nein, ganz sicher nicht. Im vergangenen Jahr hatten wir einmal zwei Monate am Stück Konzerte. Wer bei diesem Rhythmus die Nächte durchfeiert, wird es nicht lange schaffen, man braucht wirklich extrem viel Disziplin, um die nötige Leistung auch abrufen zu können. Ich sage immer, es ist durchaus ein Job wie andere Jobs mit Höhen und Tiefen, aber er unterscheidet sich in der benötigten Disziplin. Okay, in der Regel gibt es vor Tourbeginn einen Abend, an dem wir uns mit der ganzen Crew zusammensetzen und ein bisschen feiern, aber dann ist Ruhe. Ich persönlich brauche diese Ruhe. Es kostet richtig Kraft, ein zweistündiges Konzert zu spielen, und diese Kraft muss man sich mit Disziplin, auch Ernährung und Sport erarbeiten.

Stichwort Erfolgsgeheimnis: Was ist der Grund für diese vielerorts gerühmte SANTIANO-Livepräsenz?

Mir persönlich macht Musik immer Spaß, großen Spaß. Ich habe tatsächlich noch nie Musik gemacht, die mir keinen Spaß gemacht hat, unabhängig von Gelegenheit oder Stil. Ich habe klassisches Klavier und Gitarre studiert und da spielt man auch moderne Sachen, etwas dem man nur schwierig zuhören kann, das aber auch sehr viel Spaß beim Spielen bringt. Für mich ein ganz wichtiger Faktor: Die große Freude, an dem was ich tue.

Und das Publikum ist selbstverständlich auch ein wichtiger Baustein. Es motiviert natürlich ungemein, wenn man merkt, dass die Musik ankommt, die eigene Freude sozusagen weitergegeben wird. Es gibt auch die gegenteilige Möglichkeit eines eher zähen Abends, wenn der Funke nicht zünden will, aber das kenne ich von SANTIANO nicht, eher von anderen Acts. Das kann dann schon sehr mühsam sein und macht entsprechend weniger Spaß.

Es ist übrigens vollkommen irrelevant, wie viele Leute beim Konzert sind. Erstens sieht man von der Bühne aus ab der zwanzigsten Reihe sowieso nichts mehr, weil alles dunkel ist, und zum anderen können auch die kleinsten Gesellschaften den größten Alarm machen. Ich glaube, wenn man Spaß hat auf der Bühne, leidenschaftlich ist und authentisch, kann eigentlich nichts passieren. Das trifft auf SANTIANO alles zu und das erklärt wahrscheinlich auch unseren Erfolg.

Wie wichtig ist die technische Seite eines Konzerts?

Die Menschen kommen zu uns wegen der Musik. Für uns Künstler und die Verantwortlichen ist die Musik tatsächlich nur ein Aspekt unter mehreren, die für einen erfolgreichen Abend nötig sind. Die Feuerfontäne an der richtigen Stelle, das berühmte bläuliche, leicht schummrige Licht bei der Ballade… Die würde niemals derart intensiv wirken, gäbe es diese unterstützende Inszenierung nicht. Und man kann Musik tatsächlich gut und weniger gut inszenieren.

Für das eigentliche Spielen ist die große Bühnenmischung aus meiner Sicht nicht so relevant wie das persönliche Monitoring. Das ist für mich wirklich entscheidend. Wie entscheidend merkt man immer dann, wenn man nicht den eigenen dabei hat, sondern einen schlechten Mischer erwischt. Bei SANTIANO passiert das glücklicherweise nicht, aber auch diese Situation kenne ich aus anderen Zusammenhängen. Ein schlecht gemischter Monitorsound kann einem den kompletten Abend zersägen. Das ist wirklich grauenhaft. Klar, es gibt auch schwierig zu mischende Bühnen, mir fällt da die Festhalle in Frankfurt ein. Da schlägt definitiv jeder Front of House die Hände über dem Kopf zusammen. Aber das sind Gegebenheiten, an denen man nichts ändern kann. Guter Monitorsound ist immer möglich. 

WARUM KORG-INSTRUMENTE?

Wie tickt der vielfältig begabte Arne Wiegand denn als Musiker?

Ich habe nach meinem bereits angesprochenen klassischen Musikstudium in Mainz noch eine Ausbildung zum Tonmeister in Detmold gemacht. Ich kenne also die technische Seite der Musik, bin umgeben von ihr, kann mit ihr umgehen, habe sie aber nie gemocht und bin sicherlich auch kein Tüfler, Klangzauberer oder Technikfreak, im Gegenteil: Technik interessiert mich nicht sonderlich, sie muss funktionieren. Funktioniert sie nicht, nervt sie mich. (lacht und ergänzt) Aber zum Glück spiele ich ja KORG. Da nervt nichts.

Bei SANTIANO liegt ein Schwerpunkt auch auf dem Akkordeon, nicht nur auf dem Keyboard. Mir kam irgendwann die Idee, einige Parts mal mit dem Akkordeon zu probieren und es hat sehr gut funktioniert und das haben wir dann ausgebaut. Natürlich werde ich ein Stück weit immer gezwungen sein, an Sounds zu basteln. Ich muss aber ehrlicherweise sagen, dass ich mich viel lieber mit verschiedenen Klavieren, Rhodes oder dem Akkordeon beschäftige. Es gibt Kollegen, die sich Ewigkeiten mit Synthies, Oszillatoren und dieser technischen Seite beschäftigen, um einen bestimmten Sound zu kreieren, das ist nicht meins. Das gilt übrigens auch für mein anderes Hauptinstrument, die Gitarre: Ich brauche diese ganzen Pedalboards nicht, ich spiele mit den Fingern, daher kommt die Musik, alles andere kann höchstens unterstützend sein.

Warum haben Sie sich für den KRONOS als Hardware entschieden? Was unterscheidet dieses Key von anderen?

Ich bin absolut begeistert von der Flexibilität dieser Workstation, obwohl ich sie noch viel zu wenig zu nutze. Wenn man sich erst einmal eingearbeitet hat, sind die Möglichkeiten und die Flexibilität großartig. Auch die Klaviatur spielt sich richtig gut. Bei SANTIANO spiele ich mit dem KRONOS primär sehr simple Sounds, vor allem Rhodes und Klaviere. Also relativ wenig komplex. Manchmal, in den Proben, wenn ich ein bisschen Zeit habe und rumprobiere, wird mir aber neu bewusst, was dieses Keyboard für ein riesiges Potenzial hat. Und dieser Effekt wiederholt sich, wenn wir in Berlin spielen. Dort übernachten wir immer in dem gleichen Hotel, dem „Esplanade“. An Wochenenden spielt dort meistens ein Alleinunterhalter und der hat auch ein KORG vor sich stehen. Jedes Mal, wenn ich diesen Mann und seine absolut untypischen Arrangements höre, werden mir die Möglichkeiten der KORG Keyboards neu vor Augen geführt. Was dieser Kollege alleine an tollen Sounds auf die Bühne bringt ist große Klasse.

Wie läuft so ein Tourtag mit SANTIANO in aller Regel ab?

Also ich habe immer sehr viele Sachen dabei: Meinen Rechner, Interface, auch Gitarre und Bass, weil man immer sehr viel Zeit zur Verfügung hat. Es gibt natürlich schon die direkten Verpflichtungen im Kontext der Band, die sich auch immer wiederholen: Um 17 Uhr ein Soundcheck, um 18 Uhr das Abendessen, um Acht dann das Konzert und um 22 Uhr ist dann der Tag aber auch schon wieder vorbei, mehr Termine gibt es nicht. Den Vormittag nutzen wir, um von einem Veranstaltungsort zum nächsten zu kommen, aber in aller Regel haben wir mittags unser Ziel erreicht. Bis zum angesprochenen Soundcheck habe ich dann Zeit und die nutze ich schon zum Arbeiten oder irgendeiner Beschäftigung mit Musik. Und Sport natürlich. Wie gesagt, ich habe immer viel Kram dabei auf Tour, unter anderem auch eine kleine Tasche mit meinen Joggingsachen. Wann immer ich einen Park entdecke, gehe ich auch Laufen.

Die Band hat sich ja nicht auf natürlichem Wege gefunden; ist sie dennoch bereits mehr als eine Zweckgemeinschaft? Wie ist der Teamspirit bei SANTIANO?

Richtig gut. Wir gehen sehr freundschaftlich und respektvoll miteinander um. Wir drei Sessionmusiker, die wir nicht zum Kern der Band gehören sowieso. Da hat sich eine sehr enge Freundschaft entwickelt.

Klar, wenn man sehr lange unterwegs ist und sich Tag für Tag auf engstem Raum begegnet, entstehen auch schon mal Konflikte, aber das ist sehr selten und schnell ausgeräumt. Ich könnte mir vorstellen, dass man mit sieben Frauen auf Tour vielleicht mehr Stress hat, aber mit uns sieben Jungs könnte es kaum harmonischer sein. Und im Zweifel hat man ja schon auch die Möglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen: Die Hallen sind groß, jeder hat sein eigenes Hotelzimmer, man kann spazieren gehen, man hat nicht zu viel Stress, das Reisen mit SANTIANO ist sehr entspannt.

Welche anderen Projekte haben Sie neben SANTIANO? Auch eine Soloambition?

Ja, es gibt schon andere Engagements, aber auf keinen Fall Soloprojekte. Ich hatte niemals die Ambition, vorne zu stehen, will ich nicht und daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Ich will auf keinen Fall Künstler sein. Der Status als Musiker ist super und ein bisschen was gibt es auch neben SANTIANO: Vor drei Jahren war ich Gitarrist bei Elaiza, die Band, die Deutschland beim Grand Prix in Kopenhagen vertreten hat. Hin und wieder helfe ich bei Avantasia und Beyond the Black an den Gitarren oder Keyboards aus, das sind deutsche Metalbands.

Außerdem schreibe ich auch sehr viel für unterschiedliche Projekte, zum Teil auch eigene, die allesamt aber noch weit weg sind von der Straße, also eher noch im konzeptionellen Bereich.

Ich möchte neben den Jobs als Musiker aber auch möglichst intensiv und so vielfältig wie möglich als Tonmeister arbeiten, auch über die Grenzen der U-Musik hinaus. Ich nehme so oft es geht Klassik auf. Das macht mir riesigen Spaß, auch wenn es eine komplett andere Arbeitsweise mit völlig anderem Vokabular ist als bei SANTIANO oder den anderen Jobs.

Mir macht Musik in allen Facetten großen Spaß, darum lege ich mich nicht fest, lass mich nicht festlegen und mache, was geht, wofür die Zeit reicht.

VIELEN DANK FÜR IHRE ZEIT.