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Extras

Künstler

2014.10.02

Sarah deCourcy

Eine begnadete Pianistin

Wer Sarah und ihre Musik noch nicht kennt, weiß nicht, dass sie eine begnadete Pianistin ist, die an der „Chetham’s School Of Music” in Manchester studierte und dann ein dreijähriges Stipendium an der „Royal Academy Of Music” in London absolvierte. Während jenes Kurses studierte sie außerdem kommerzielle Musik und die zugehörige Technologie, wo sie ihr beeindruckendes Fachwissen erwarb. Außerdem kann sie Live-Erfahrung vorweisen, so z.B. mit dem Ex-Spice Girl Melanie Chisholm und der englischen Songwriterin Lucie Silvas, bei der sie seinerzeit als musikalische Leiterin anheuerte.

Kylie Minogues sagenhaft erfolgreiche X2008-Tour bot ihren Fans die Gelegenheit, alte Hits in einem neuen Gewand zu hören und ihre brandheißen Titel zu entdecken. Für diese gelungene Live-Umsetzung zeichnete sich vornehmlich ein Gerätepark mit dem Namen KORG verantwortlich, darunter die „eierlegende Wollmilchsau“, die KORG M3 Workstation mit gewichteter 88er-Tastatur, ein microKORG und ein RADIAS Synthesizer sowie das geniale KAOSS Pad 3. Thomas James hat sich mit der musikalischen Leiterin und Keyboarderin Sarah deCourcy unterhalten, um zu erfahren, wie die Produktion im einzelnen strukturiert war.

Im Gespräch mit Sarah deCourcy

Kylie ist momentan so erfolgreich wie man es in der Musikindustrie nur sein kann. Und das jetzt schon seit über zwei Jahrzehnten. Was einst als Soap-Star begann, verwandelte sich im Nu in eine Diva der Dance-Szene, die auch live eine Menge zu bieten hat. Die X2008-Tour, die in Paris begann und 53 Konzerte in allen großen europäischen Städten umfasste, endete mit einem Höhepunkt in der Londoner O2-Arena. Frisch, spritzig und innovativ wollte Minogue ihre Show gestalten. Hierfür wurden neue Arrangements für ihre großen Hits vorbereitet, die mit der allerneusten Lichteffekt- und Videoprojektortechnologie und vielen Tanzeinlagen fantastisch in Szene gesetzt wurden. Die musikalische Leitering Sarah deCourcy hatte die durchaus riskante Aufgabe, das geeignete Equipment für die unzähligen und zudem stark divergierenden Sounds auszusuchen. Und dafür verließ sie sich ganz auf KORG!

„In dieser Show geben sich eine Vielzahl unterschiedlicher Musikstile ein Stelldichein”, erläutert Sarah, „also weit mehr als nur Pop- und Rockmusik, weil auch eine Coverversion von ‘Copacabana’ und ein Remix von ‘Can’t get you out of my head’ am Start sind – ganz zu schweigen von den akustischen Versionen anderer Songs. Auch auf ‘I Should Be So Lucky’ von vor 21 Jahren wollten wir nicht verzichten.”



Gerätepark

Statt tonnenweise Instrumente auf die Bühne zu karren, entschied sich Sarah für eine einschlägige Programmierung des M3 und RADIAS, die dann um ein KAOSS Pad und den microKORG ergänzt wurden. Damit konnte sie den ganzen Abend bestens bestreiten. Sie erklärt auch gerne, wer hier was macht: „Ich verwende die neueste Version des KAOSS Pad als Audiofiltersystem, welches eine ganze Reihe von Samples in Echtzeit bearbeitet. Ich spiele die einzelnen Samples also nicht einfach ab, sondern würze sie noch. In vielen Dance-Songs spielen Filter eine Hauptrolle, und wir wollten das live –quasi mit einem ‘DJ-Feel’– umsetzen. Da kam mir das KAOSS Pad gerade recht. Auch KAOSS-Effekte wie das „Touch Delay” kommen zum Einsatz, weil man den BPM-Wert nur zu tappen braucht, um den richtigen Rhythmus zu erzielen. Für Überleitungen z.B. kann man sich nichts Besseres wünschen.

„Der M3 erzeugt die warmen Streicher-Sounds. Außerdem benutze ich ihn für die Klavierparts, weil er mit einer gewichteten Tastatur ausgestattet ist. Manche der großzügig orchestrierten Pianoballaden spiele ich nur damit. In anderen Songs nutze ich dagegen die tiefen und druckvollen Bässe des M3. „Die noch fetteren, analogeren Synthesizerklänge stammen jedoch vom RADIAS. Es gibt da einen Song namens ‘Nudity’ mit einem Moog-artigen Bass-Sound. Viele Leute glauben, dass jener Part vom Band kommt, aber ich spiele ihn in Wahrheit live. Für alle fetten Sachen verlasse ich mich voll und ganz auf den RADIAS, weil er diese Schiene unfassbar gut beherrscht. „Ich benutze nur ein Sample von einer Platte – alle anderen Sounds habe ich mit meinen KORG-Instrumenten nachgebaut. Am M3 und RADIAS kann man schließlich herrlich schrauben und Echtzeitverbiegungen erzeugen. Außerdem erreicht man relativ schnell den gesuchten Sound, der sich dann praktischerweise abspeichern lässt.

Ich benutze zwei Pedale, von denen eines einen Filter des M3 ansteuert. Damit filtere ich beispielsweise den Klavierklang von ‘Wow’. An einer Stelle wird der Sound völlig weggefiltert und an einer anderen verwandle ich ihn in einen hauchdünnen Hochpassklang – mehr kann man sich nicht wünschen. Hinzu kommen ein Volumenpedal, das ich an den RADIAS angeschlossen habe und zwei Sustain-Fußtaster. Meine Füße leisten echte Schwerstarbeit! Und wenn ich das Filter nicht ansteuern kann, weil ich meinen Fuß für etwas anderes brauche, kann ich immer noch mit dem KAOSS Pad arbeiten.” Rob Davis, der Produzent von ‘Can’t Get You Out Of My Head’, einem der größten Hits von Kylie, hat jenen Song quasi ausschließlich mit einer KORG Triton Workstation eingespielt. Sarah besitzt zwar auch eine Triton, konnte die betreffenden Sounds aber problemlos mit dem vorhandenen Equipment erzeugen. „In dem Song benutze ich alle meine Keyboards. Die Triton habe ich vor allem deshalb nicht mitgenommen, weil ich ja sowieso nur zwei Hände habe! Anfangs habe ich mir überlegt, sie einzupacken, aber der M3 enthält so viele Triton-Sounds, das ich mich lieber für ihn entschieden habe.

Der RADIAS klingt eine Ecke aktueller und ist sowieso ein musikalischer Tausendsassa. Die ‘Can’t Get You Out Of My Head’-Version, die wir live spielen, enthält ein Synthiestring-Riff von ‘Blue Monday’ der New Order, das die ganze Zeit mitspielt. Der RADIAS liefert den fast identischen Sound. Das „piepsende Riff” des Songs spiele ich mit einem Werks-Sound des M3. Die übrigen Sounds kommen vom microKORG, der in diesem Titel wirklich glänzt. Ursprünglich wollte ich auch den Vocoder benutzen, weil in dem Titel ziemlich viele Vocoder-Sachen vorkommen. Letztendlich haben wir uns dann aber doch für ein Band entschieden, weil es auf der Bühne Interferenzprobleme gab. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, das Schwanenhalsmikrofon trotzdem mitzunehmen, um ein wenig Spaß zu haben!”

Selbstverständlich spielt die Optik bei einem Kylie Minogue-Konzert eine fast ebenbürtige Rolle. Hierfür wurden spektakuläre Lichteffekte und viele durchaus anspruchsvolle Choreographien entwickelt. Als musikalische Leiterin war Sarah nicht nur verantwortlich für die Programmierung der Keyboards, sondern auch für die Wahl der Musik und die notwendigen Änderungen der Arrangements, um sie auf die Tanzeinlagen abzustimmen. „Kylie trat Jahre lang immer mit derselben Band auf. Diesmal wurde jedoch eine neue Crew zusammengestellt. Ich habe mir Musiker aus aller Herren Länder angehört. Unser Gitarrist stammt zum Beispiel aus Kanada, der Bassist ist ein amerikanischer Finne und der Saxophonist ist Australier. Ich musste mich um die Proben kümmern und dafür sorgen, dass alle den jeweils richtigen Part spielen. Und wenn etwas nicht funktionierte, musste ich mir schnell eine passende Alternative ausdenken.

Vor den eigentlichen Proben hatte ich viele Pre-Produktionsaufgaben zu bewältigen. So musste ich die benötigten Sounds zumindest schon einmal ansatzweise programmieren, um später daran feilen zu können. Selbstverständlich haben wir während der Proben eine Menge geändert, um jederzeit ein optimales Ergebnis zu erzielen. Wir haben sechs Wochen lang geprobt, bis uns die Titel aus den Ohren herauskamen. Ich habe die Musik mit einem Typen namens Steve Anderson vorbereitet, der sich seit acht Jahren um das musikalische Wohl von Kylie kümmert. Wir haben die Reihenfolge der Songs festgelegt und uns überlegt, wie wir sie bringen wollten. Ab und zu haben wir gemeinsam an neuen Arrangements gearbeitet, in anderen Fällen habe ich dagegen Remix-Versionen entwickelt, welche die Titel zwar nicht entstellen, aber trotzdem bestimmte Teile anders strukturieren. Alles wurde mit William Baker, dem Kreativdirektor abgestimmt. Er gab uns Anweisungen wie: ‘Ich möchte diesen oder jenen optischen Eindruck erzielen.’ Und ich machte dann Vorschläge, wie wir das musikalisch umsetzen und untermalen könnten.

In der Show wird viel getanzt, und die Musik muss natürlich zur Choreographie passen. Während der Proben befanden sich die Tänzer im gegenüber liegenden Studio. So konnte ich jederzeit ‘rüberlaufen und sie bitten mir zu zeigen, was an dieser oder jener Stelle passierte. Unser Timing musste sitzen. Also stellte ich Fragen wie ‘was macht ihr in dem Moment – z.B. nach einer Minute?’. Das wurde dann mit den Musikern abgestimmt. Wir haben die Proben auch aufgenommen, um den Tänzern zumindest einen Leitfaden zu geben. Kylie war von Anfang an dabei”, erläutert Sarah. „Sie weiß genau, was sie will und was sie kann. Also entscheidet sie sich sehr früh für die Einteilung der Tanzeinlagen und Gesangsparts. Auch die Tonlage der Songs wird sorgfältig gewählt, weil sie ihre Stimme nicht überstrapazieren darf.”

Synchron

Das aktuelle Live-Set ist in sofern ungewöhnlich, weil sich die Musiker auf zwei kleineren Bühnen links und rechts neben der Hauptbühne befanden. Auf der linken Plattform befanden sich der Bassist und der Schlagzeuger. Sarah, der Gitarrist und die Chorsänger standen dagegen auf der rechten Seite. Das Aufteilen der Musiker bereitete der Band ein wenig Kopfzerbrechen. „Schon bei den Proben habe ich den Musikern geraten, nicht zu stark auf Augenkontakt zu setzen, weil wir uns 20 Meter voneinander entfernt befinden würden”, lacht Sarah. „Alle Musiker bekamen ein Klicksignal in ihre In-Ears, um sie rhythmisch bei der Stange zu halten. In der Regel beginnen die Songs nach vier oder acht Taktschlägen. Ich starte die Show, markiere das Ende und den Beginn der Songs und steuere das Metronomsignal.”

Obwohl manche Song komplett live gespielt wurden, gab es auch viele mit Sequenzerunterstützung. „Es läuft ungefähr auf 50/50 hinaus”, schätzt Sarah. „In vielen Dance-Nummern sind die Synthesizerparts vorprogrammiert, weil ich meistens noch Piano dazu spiele und die Streicher nicht gleichzeitig spielen kann. Dann ist ein Metronom natürlich unabkömmlich. Aber auch in den Live-Songs müssen wir uns an relativ strikte Vorgaben halten, weil wir ja die Tänzer und die Videogeschichten berücksichtigen müssen. Auch die Beleuchtung wurde in Abhängigkeit des Metronoms programmiert. Künstlerische Freiheit war also definitiv Fehlanzeige. An sich ist das aber nicht schlecht, weil jeder dann genau weiß, was er zu tun hat. So konnten wir entspannt aufspielen. Nur in den Zugaben durften wir uns mal richtig gehen lassen.”

Eine festliche Note

Die meiste Zeit ist die Hauptbühne ausschließlich Kylie und ihren Tänzern vorbehalten. Nur in einem Song kommt plötzlich ein Flügel aus dem Boden, an den sich Sarah dann setzen darf. Jenes Instrument ist kein akustisches Klavier, sondern ein digitaler Klon mit einem Modul darunter. Und selbst das ist nicht, was man auf den ersten Blick vermuten würde. „Das interne Modul ist nicht besonders gut”, verrät sie. „Deshalb läuft ein MIDI-Kabel von diesem Modul bis rauf zu meinem M3 – also ziemlich weit weg. Ich habe im M3 den perfekten Klavier-Sound gefunden… schön warm und mit dem perfekten Halleffekt. Unter der Bühne befindet sich noch ein Korg SP250 Digital-Piano, falls die MIDI-Verbindung plötzlich ausfällt!”

Mittlerweile dürfte klar sein, dass der Erfolg der X2008-Tour das Ergebnis harter Arbeit von ebenso talentierten wie kreativen Personen ist. „Gelangweilt haben wir uns sicher nie!” lacht Sarah und erinnert an die komplexen Proben. Aber auch live müssen alle höllisch aufpassen.

Es wird schon schief gehen!

Als die großen Proben mit der ausgewählten Beleuchtung begannen, taten sich relativ nervende Probleme mit den neuen Videoleinwänden auf. Die mussten erstmal in langwieriger Arbeit behoben werden. „Wir hatten die Pre-Produktion zwar mit der ganzen Bühnenausstattung in Wakefield geplant, aber letztendlich blieb uns nicht viel Zeit zum Proben”, gibt Sarah zu. „In den beiden Wochen dort oben haben wir die Show nur ein Mal von Anfang bis Ende machen können. Normalerweise proben wir so etwas sechs Tage lang drei Mal am Tag. Viele konnten deshalb nicht fassen, dass Paris schon vor der Tür stand. Die Spots im Boden sind sehr clever gewählt und erwecken den Eindruck, dass sich die Plattform bewegt! Allerdings muss man sich daran erstmal gewöhnen. 

„Wir waren ziemlich nervös und haben eine Woche gebraucht, bis alles wirklich saß. Danach hatte Kylie dann aber eine Menge Spaß. Sie liebt diese Show! Die Konzerte in Istanbul und Bulgarien waren ihre ersten Open Air-Konzerte überhaupt. Sie fand es genial, in der Hitze aufzutreten und im Hintergrund das Meer zu sehen.”