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Künstler

2014.02.05

Will Gregory > Goldfrapp

Es muss schon etwas an alten Analog­-Synthis dran sein, weil niemand auf ihre klassischen Sounds verzichten möchte. Der Haken ist nur, dass es die Geräte schon lange nicht mehr gibt. Und wenn man eines findet, ist es meist nicht stimmungsstabil – oder so horrend teuer, dass man es sich dann doch wieder anders überlegt. So gesehen ist die Digital-Revolution, welche die Sounds der großen Analogen für den Computer aufbereitet, eine wahre Wonne. Vollends lustig wird es, wenn ein Hersteller wie KORG plötzlich digitale Modelle seiner eigenen Saurier vorlegt. Gleich der erste Versuch dieser Firma, die Legacy Collection, trifft voll ins Schwarze. Schließlich sind hier drei Weltmeister am Start: MS20, Polysix und Wavestation.

Interview mit Will Gregory

Warum erfreuen sich diese drei Synthis (MS20, Polysix und Wavestation) immer noch so großer Beliebtheit? Diese und andere Fragen haben wir Will Gregory gestellt, der so gut wie alle klassischen Synthis aus eigener Erfahrung kennt. Wahrscheinlich ist dir geläufig, dass er die eine Hälfte der Pop­-Sensation „Goldfrapp“ darstellt. Neulich in seinem Studio in Bath (England)…

KORG: Will, du gebrauchst die Legacy Collection und den MS20­-Controller nun schon eine Weile. Wie gefallen sie dir?

Will Gregory: „Der Controller sieht dem MS20 zum Verwechseln ähnlich. Nur ist er eine Ecke kleiner. Der MS20 gehört zu den großen Klassikern, was vor allem seinen Filtern zu verdanken ist. Sie sind einzigartig. Dank Hi- und Lowpass-Kombination verhalten sie sich bei Bedarf wie ein Bandpass, sind aber flexibler, weil man den Resonanzanteil und die Eckfrequenz beider Filter separat einstellen kann. Im Extremfall kann man beide zur Oszillation treiben, woraus sich dann Akkorde ergeben. Darauf habe ich ganz besonders geachtet. Das wollte ich in der KORG-Emulation wiederfinden, weil es meiner Ansicht nach die Essenz des MS20 ausmacht – seine Filter.

KORG: Und wie sind die Filter der Emulation?

Will Gregory: Ich finde sie sehr gelungen. Ich kenne jedenfalls nur wenige andere Computermodelle, die genau so brutal zurückschreien und sich bis zum hellen Resonanzwahnsinn treiben lassen. Diese Software kann richtig bösartig werden! Na ja, vielleicht bleibt sie beim Ausreizen der Selbstoszillation im Bassbereich eine Spur zivilisierter. Das wäre dann aber allenfalls ein minimaler Kritikpunkt. Der Rest ist richtig cool. Beim „Sweepen“ des Filters hört man jedenfalls die MS-­typischen Schritte der Obertonerweiterung bzw. -verringerung. Jeder Synthi verhält sich da anders. Die Software orientiert sich jedenfalls voll und ganz am MS20.

KORG: Mehr und besser als der MS?

Will Gregory: Könnte man sagen. Früher konnte ich Akkorde nur mit dem MS20-Filter bearbeiten, indem ich die Signale eines externen Synthis an das Teil anlegte. Der Legacy MS ist jedoch polyphon und schon allein deshalb eine lohnende Investition. Endlich kann man das Filter auch auf polyphone Sachen loslassen. Die Anschlagdynamik ist ebenfalls praktisch.

KORG: Wie gefällt dir der Polysix?

Will Gregory: Er klingt gut. Ich hatte früher mal einen und weiß daher, was man damit anstellen kann. Der Original-Polysix hatte eine etwas problematische Pufferbatterie, die zum Auslaufen neigte und dabei das Motherboard versaute. Das Teil konnte man dann wegwerfen. Ich gehe mal davon aus, dass man den „Hardware“-Polysix heutzutage kaum noch findet. Wer noch einen besitzt, sollte die Pufferbatterie auf jeden Fall auswechseln, bevor die Flüssigkeit ausläuft!

Ich arbeite immer noch gerne mit dem Polysix. Die Legacy­-Version klingt aber sehr gut. Das Besondere am Polysix war jener CHORUS/ENSEMBLE-Schalter, mit dem man die Sonne aufgehen lassen konnte. Damit konnte man z.B. recht überzeugende Hammond-Sounds machen, weil der Chorus-Effekt so schön flatterte. Im Zusammenspiel mit einer scharfen Attack entstand dann auch ein B3 ­ähnlicher Percussion-Effekt. Jedenfalls habe ich mit meinem Polysix unzählige (oftmals „käsige“) Orgel-Sounds programmiert! Die Legacy­-Version scheint diese Eigenart ebenfalls draufzuhaben.

Fette Bässe kann man ebenfalls programmieren. Und weil der Chorus so schön zittert, funktionieren auch die hellen Streicherklänge ausgesprochen gut. Der Pulswellencharakter des Polysix ist etwas ganz Besonderes, das auch in der Emulation nachhaltig vertreten ist.

KORG: Und die Wavestation?

Will Gregory: Die Original-Wavestation kenne ich recht gut. Ich gehe einfach davon aus, dass die Legacy-­Version ganz nah dran ist, weil die Vorlage ja bereits ein digitales Instrument war. Wavestations eignen sich besonders für breite Sounds, und dafür gebrauche ich sie in der Regel. Bestimmte Streicherflächen sind z.B. fast extrem stereo – sie umhüllen einen förmlich. Allerdings war die Programmierung ein Hammer, und so habe ich mich nie damit beschäftigt. Ich vermute, die meisten Wavestation-Anwender haben sich eine Hand voll Presets ‘rausgesucht und die dann fortwährend abgenudelt. Wahrscheinlich aus reiner Faulheit.

KORG: Klingt fast so, als freust du dich darüber, dass die Wavestation wieder am Start ist…

Will Gregory: Wie gesagt: Ich besitze eine Wavestation, allerdings befindet sie sich in meinem Live-­Setup, weil sie mir da am meisten hilft. Ich freue mich aber trotzdem. Vielleicht fange ich diesmal sogar an zu programmieren!

KORG: Dein allgemeiner Eindruck der Legacy Collection?

Will Gregory: Insgesamt hat KORG meiner Ansicht nach ganze Arbeit geleistet. Schon allein die Möglichkeit, die breiten Wavestation-Klänge mit dem MS20-­Filter zu bearbeiten und mit dem Polysix-Chorus abzuschmecken, ist genial. Bei einem Preis von £400 kann man wirklich nicht meckern. Die Hardware-Schnittstelle für den MS20 habe ich noch gar nicht erwähnt, obwohl ich sie für ungemein wichtig halte. Nur damit kann man die MS20­-Filter nämlich simultan manipulieren. Diese Verbiegungen sind unverzichtbar. Mit einer Maus kann man solche Spielchen vergessen.

Da genau liegt meiner Ansicht der Schwachpunkt der ganzen Soft-Synthesizer – ohne geeignete Bedienoberfläche kann man sie unmöglich ausreizen. Laut Theorie kann die Digital-Theorie alles reproduzieren, was analoge Geräte hervorbringen. Das will ich gar nicht in Frage stellen. Was mir allerdings nicht in den Kopf will, ist, wie man ohne physische Regler vernünftig schrauben soll. Klangverbiegungen sind dann am besten, wenn man etwas in der Hand hat, mit dem man die Idee umsetzen kann. Eine Maus reicht da nicht aus, weil ihre Bedienung oftmals zu umständlich ist. Ich glaube, alle Musiker ziehen Regler vor! Die Regler des beiliegenden Controllers eignen sich natürlich nicht nur für den MS20, sondern auch für den Polysix und die Wavestation, wenn man erstmal kapiert hat, wie das System funktioniert. Bei Synthesizern ist es doch so, dass sie zur Hälfte von der Klangqualität und andererseits von der Ergonomie leben. KORG hat das endlich eingesehen!

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