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Künstler

2014.01.01

Florian Sitzmann > Söhne Mannheims

Produzierender Professor und freifliegender Sound-Spieler

Florian Sitzmann dürfte den allermeisten Musikfans vor allem als Keyboarder der Söhne Mannheims ein Begriff sein. Doch die überaus erfolgreiche Band, die in den vergangenen Jahren mit Preisen wie Echo und Comet nahezu überhäuft wurde, ist nur eines von vielen musikalischen Projekten, an denen der gebürtige Karlsruher in den vergangenen Jahren gearbeitet hat. So ist er unter anderem Dozent an der Popakademie in Mannheim, erfolgreicher Produzent und schreibt beispielsweise Songs mit André Heller. Im Interview erzählt er von seiner aktuellen Arbeit und von den Chancen und Herausforderungen, die es mit sich bringt, auf unterschiedlichen musikalischen Feldern aktiv und kreativ zu sein.

Erzähl mal, Florian, was macht ihr denn zurzeit mit den Söhnen?

Wir gönnen uns ein knappes Jahr Konzertpause, in dem wir aber unser kommendes Album fertig produzieren, den Teil „On“ des jetzigen Albums „IZ ON“. Einige Songs wurden bereits angefangen, andere sind noch ganz jungfräulich …

Ihr wart ja letztes Jahr auf Tour und habt ein Album gemacht. Wie war die Produktion bzw. die Tour? 

„IZ“ war gegen Ende sehr stressig für die Sänger und Producer, weil der Anspruch so hoch lag und die Zeit knapp wurde. Die Phasen davor, in denen wir uns zum Teil als ganze Band für zwei Wochen auf dem Land in ein Studio eingeschlossen haben, waren für uns als Band sehr gewinnbringende und inspirierende Zeiten, in denen wir uns ganz auf unsere künstlerischen Aufgaben konzentrieren konnten und niemand aus dem näheren oder ferneren Umfeld Ablenkung brachte.

Bist du eigentlich auch öfter in Mannheim im Studiokomplex oder arbeitest du hauptsächlich in deinem eigenen Studio bei Edo?

Ich verbringe wesentlich mehr Zeit in meinem eigenen Studio in Karlsdorf als im Mannheimer Studiokomplex. Aber ich bin dort immer wieder als Keyboarder, und wenn ich, wie im letzten Jahr, für Xavier etwas produziere, arbeite ich auch gerne dort, nicht zuletzt wegen der dort beheimateten Kollegen. Eine überschaubare räumliche Distanz zu den Mannheimer Studios hilft mir unter anderem, mich nicht nur als Teil des „Söhne Mannheims“-Umfeldes zu sehen, sondern in allen möglichen anderen Szenerien aktiv zu werden und zu bleiben.

Welche Projekte hast du denn noch so am Start?

Ich arbeite als Produzent derzeit für Galileo, ebenso für Joe Falk, mit dem ich ab April ein neues Album aufnehme, und ich schreibe seit Ende letzten Jahres in unregelmäßigen Abständen Songs mit André Heller, der ebenfalls auf eine Albumproduktion zugeht. Ansonsten habe ich das Glück, als Keyboarder immer wieder auch in anderen Studios Live-Sessions zu spielen, oder es kommen Künstler und Produzenten zu mir ins Studio für Keyboard-Overdubs. Hier in Karlsdorf habe ich eben auch die sperrigeren Instrumente wie Flügel, Upright-Piano, Suitcase-Modelle, Harmonium oder ein Clavichord recordingbereit rumstehen.

Was genau machst du für die Popakademie in Mannheim?

An der Popakademie bin ich Dozent und sogenannter „Department Chief“ für den Fachbereich Producing, mit anderen Worten, ich unterrichte dort zusammen mit zwei Kollegen die Producer-Studenten, betreue verschiedene Projekte und bin maßgeblich für die Entwicklung des Curriculums in unserem Fachbereich zuständig. Gerade im Hinblick auf den kommenden Master-Studiengang ist das sehr spannend, weil es da noch keinerlei Vorbilder gibt. Und natürlich lerne ich ständig von den Studenten.

Wie schaffst du es, so wechselnde Aufgaben zu bewältigen?

Mal besser, mal schlechter. Es kommt vor, dass die Vielfalt an die Grenze des Handhabbaren stößt. In der Regel befruchten sich aber alle diese Bereiche gegenseitig. Ich würde zum Beispiel ungern an der Popakademie etwas über Musikproduktion erzählen, ohne selbst als Produzent zu arbeiten. Und ohne das regelmäßige Erlebnis des Live-Spielens im Studio oder auf der Bühne wäre mir die Studioarbeit wiederum oft zu indirekt und theoretisch. Allerdings braucht das alles wirklich einen halbwegs klaren Kopf und einigermaßen strukturierte Organisation des Alltags.

Wenn du selber kreativ bist, wie vollzieht sich dieser Prozess bei dir?

Immer wieder unterschiedlich: Was ich jedoch mit Bestimmtheit sagen kann ist, dass mir die Imagination sehr wichtig ist. Wenn ich mir eine Stimmung, einen Sound, ein Lebensgefühl oder ein Bild gut vorstellen kann, kann ich recht komplexe und detaillierte Strukturen oder Arrangements alleine im Kopf erzeugen, deren Umsetzung dann einfacher und schneller zu Ergebnissen führt als viel herumzuprobieren. Was nicht heißt, dass ich nicht immer mal wieder auch freifliegend mit Sounds und Grooves herumspiele.

Du spielst zurzeit mit KORG M3-73 mit Radias Rack, SV-1 88, OASYS 88 und der Wavedrum. Was fasziniert dich an den einzelnen Instrumenten besonders?

Die M3 finde ich für ihre Leistungsfähigkeit wunderbar kompakt und ich mag die Vielzahl und Flexibilität der Controller. Für ganz viele Anwendungsbereiche, besonders im Studio, nutze ich die Sounds von KARO, dadurch kriege ich eine klangliche Qualität und Vielseitigkeit, die sich sonst nur mit großen Software-Bibliotheken erschließt. Beim Radias kickt mich natürlich der Vocoder, die Haptik und das viele Geblinke, aber der Sound ist die eigentliche Ansage.
Das SV-1 ist im Gegensatz zu vielen Digitalpianos endlich mal wieder ein richtiges Musikinstrument. Schon die Basis der zugrundeliegenden Sounds ist sehr gut und über die RH-3-Tastatur klasse spielbar, aber endlich sind auch mal die ganzen Bodentreter und Amps gleich mit an Bord, die man für beseelte Rhodes-Sounds braucht, und mit denen sich auch ein normales Piano-Sample in etwas Abgedrehtes verwandeln lässt. Über die Wavedrum habe ich mich besonders gefreut, weil ich schon Fan der ersten Version war und nun ja im Bezug auf Sounds und Features einiges dazukam, diesmal auch bezahlbar.


Setzt du live nur KORG ein?

Vorwiegend, ja. Aber was das Remote-Keyboard betrifft, muss ich natürlich auf einen anderen Anbieter zurückgreifen. Den Sound meines Hartmann Neuron kann ich natürlich auch nicht ohne das Original bekommen, und wenn das Setting die Optik und das Gefühl eines echten Suitcase-Pianos dringend erfordert, nehme ich auch nochmal mein Wurlitzer auf die Bühne – obwohl ein ruhiges Studioleben diesem Instrument natürlich besser bekäme.


Im Studio hast du vermutlich noch andere Sachen

DABEI? Sicher. Zum einen kommt man heute ohne große Software-Libraries nicht mehr klar, eine VSL beispielsweise kann man mit keiner Workstation imitieren. Dann habe ich da eben auch die oben erwähnten Instrumente „aus Holz und Blut“. An Keyboards spiele ich im Studio wegen der klanglichen Diversität darüber hinaus noch den Neuron, einen alten Oberheim Matrix 12 und ein paar Effektgeräte, gerne alles auch mal über mikrofonierte Amps.


Wie erhältst du dir deine kreative Vielfalt? 

Auf ganz verschiedene Art und Weise. Ich habe Phasen, in denen ich sehr viel verschiedene Musik höre, dann mal wieder einen Urlaub, in dem ich zwei Wochen lang gar nichts höre und nur auf das achte, was in mir drin klingt. Ich versuche über dies, nicht zu viele Dinge ganz alleine mit mir selbst zu erschaffen, sondern eher Zeit mit und bei anderen Musikern zu verbringen, die mich dann auch wieder inspirieren. An der Popakademie habe ich mit ganz jungen Musikern und ihren grundverschiedenen Welten zu tun, das hält den Geist ebenfalls einigermaßen frisch. Und oft höre ich Musiken, die gar nichts mit dem zu tun haben, was ich gerade arbeite, und gerade deshalb die Musikalität wieder ausbalancieren.

Florian Sitzmann ist Mitglied der Söhne Mannheims und Vollblut-Musiker. Er arbeitet als Produzent, Arrangeur, Sounddesigner und Keyboarder, Komponist, gelegentlich als Orchestrator und Dirigent. Mittlerweile hat er an über 200 Tonträgern mitgearbeitet, zusammen mit Künstlern wie Nena, Edo Zanki, Andre Heller, Xavier Naidoo, Cae Gauntt, Judy Bailey, Nino de Angelo, ...