0123456789
list icon
list icon

Extras

Künstler

2014.01.01

Moritz Müller > The Intersphere

Okay, Jeff Porcaro zog bereits zehn Jahre früher mit Sonny & Cher um die Häuser, auch Dave Weckl war bereits mit 20 für die gestreichelte Rhythmik im Hause Simon & Garfunkel verantwortlich und Ginger Baker ersetzte mit 23 einen gewissen Charlie Watts, viele weitere Beispiele für Heldentaten in Zeiten früher Adoleszenz aber gibt es schlicht und ergreifend nicht.

Wir finden nur Ausnahmen, im Schlagzeugerregelfall bräuchte es wieder Metapher wie jene mit dem Wein und dem Alter und die haben wir mindestens einmal zu oft gehört, auch gelesen. Moritz Müller ist zu einem frühen Zeitpunkt auf einem immens hohen Niveau. Jemand, der sein Handwerk versteht, es liebt und sein bemerkenswertes Talent mit harter Arbeit füttert. Viele gute Konstellationen für den Mann mit den goldenen Händen. 

Im Austausch mit erfolgreichen Menschen neigt man als Gesprächspartner und Frageausdenker und Fragesteller gerne dazu, das Geheimnis des Erfolgs abzufragen, mal direkter, mal eher beiläufig, subtil. Interessant ist, dass der freundliche Moritz Müller in dieser Situation auf Zeiten in seinem Musikerleben zu sprechen kommt, die wenig mit Scheinwerfern und Applaus und warmen Worten gemein haben. 

„Die Leidenschaft und Begeisterung für Musik haben mich überhaupt erst anfangen lassen, mich durch einige schlechte Tage getragen und mich dahin gebracht, wo ich heute stehe!“ Sofort auffällig in der Kommunikation mit dem gebürtigen Franken ist seine Bescheidenheit und die bisweilen äußerst humorige Selbstironie, die sich im thematischen Kontext Reputation nicht das letzte Mal Bahn bricht: „Ich bin mir recht sicher, dass mein Erfolg nicht auf meinen ausgeprägten Geschäftssinn zurückzuführen ist“. 

"Wann ist ein Mann ein Mann?", ...

... fragte sich der große alte Bochumer Barde Herbert Grönemeyer einst durchaus zu Recht.

Trotz vieler Bemühungen steht die Vermutung, dass es zu keiner sinnvollen Antwort kommen wird. Eines scheint dennoch klar: altersspezifische Indizien spielen auf dem Weg keine Rolle. Dieser Umstand gilt uneingeschränkt auch für den Protagonisten dieses Artikels. Schlagzeuger Moritz Müller ist keine 30 Jahre alt und bereits in diesem gar jugendlichen Alter einer der gefragtesten Drummer Deutschlands.

Aura Dione, Bobby Kimball, Xavier Naidoo, The Weathergirls, Midge Ure u.v.m. 

Dabei hätte der Moritz doch ordentlich was zu erzählen aus jüngerer und jüngster Vergangenheit in seinem spannenden Job. Über Kolleginnen und Kollegen, für die er Bühnen bestieg und Studios betrommelte. Hat man schon mal gehört den Namen Naidoo. Auch die Weather Girls erinnere ich als Soundtrack zu dem einen oder anderen schlechten Tanz auf einer verregneten Unipartys. Midge Ure und Bobby Kimball sorgen für mächtig beeindrucktes Raunen. Willkommen im Reich der Legenden. Aura Dione kennt heute sogar das Hitradio in Rotation und Jule Neigel füllte schon Hallen als Toni Schuhmacher noch das Tor des 1. FC Köln hütete und Joschka Fischer seine Liebe zu weißen Turnschuhen entdeckte. Waren da eigentlich Streifen drauf? Es gibt also diese erste, bemerkenswert erfolgreiche Seite des Schlagzeugers Moritz Müller, die sein handwerkliches Niveau unterstreicht. Deswegen gleich goldene Hände? Ähem, ja! Eindeutig ja! Denn auch seine anderen Engagements schreien nach Superlativen.


The Intersphere

„Kings of Leon on cocaine“ schreibt ein (definitiv überzeugter) Anhänger als nur auf den ersten Blick verstörenden Kommentar unter ein youtube-Video der Band The Intersphere, derzeit sicher nicht ein, sondern das Projekt von Moritz Müller. Man könnte es alternativen  Rock nennen, in Sachen Referenz große Namen der Neunziger oder Siebziger bemühen und würde diesem Act doch nicht gerecht. Wie so oft: Es ist bunt, vielseitig, unberechenbar, den Grenzen der Genres entflohen. Warum auch immer kategorisieren? Es rumpelt und kracht und rumort und schießt das Adrenalin derart brachial durch das Auditorium, dass die Kritik staunt und der Fan jubiliert. Bereits in der Songentstehung sind Leidenschaft und Begeisterung entscheidende Triebfedern, wie Moritz Müller skizziert. „In den meisten Fällen schickt unser Sänger und Gitarrist Christoph Hessler Ideen per Mail an die anderen Bandmitglieder. Das sind manchmal Riffs oder interessante Chords, manchmal sind es aber auch schon ausgefeilte Songstrukturen. Wir treffen uns dann gemeinsam im Proberaum und probieren sehr viel aus. Dass wir uns bei den Proben aufnehmen, ist tatsächlich eine große Hilfe. Zwischen all den auf Stufe 11 gedrehten Amps und einem lautem Drumkit fallen Feinheiten oft nicht auf. Nach dem Anhörprozess kommt es dann zu dynamischen Veränderungen und am Ende steht tatsächlich ein spannender Song.“ Spannend findet den in aller Regel nicht nur die vierköpfige Intersphere-Kombo, sondern eine latent wachsende Zuhörerschaft. Während diese Zeilen entstehen, bespielt Moritz Müller mit seinen Jungs englische Bühnen, stilistisch passend, irgendwie auch obligatorisch selbst für eine „The“-Band aus Mannheim. Sie gehören immer wieder zum Line-up wirklich relevanter Festivals im In- und Ausland, haben selbstverständlich einen Plattendeal und sind Gegenstand launiger Feuilleton-Lobhudeleien großer deutscher Tageszeitungen. Zuletzt gelesen zur Veröffentlichung des jüngsten Longplayers „Relations in the Unseen“.

Mit Leidenschaft und Begeisterung

Keine halben Sachen also in der bunten Welt des Moritz Müller. Bereits die Körperlichkeit seines Spiels deutet darauf hin: „Musik ist eine Sprache. Wenn wir verbal miteinander sprechen, benutzen wir den kompletten Körper, um das Gesprochene mit Gestik zu unterstützen. Meistens passiert das, ohne dass wir es überhaupt merken. Genauso ist es in der Musik. Würde man mir meine Körpersprache am Schlagzeug wegnehmen, wäre auch mein emotionaler Ausdruck darunter leiden. Mein körperlicher Einsatz am Instrument ist in meinem Spiel nur zu einem kleinen Teil technischer Natur, eher eine Überzeugung, Einstellung. Bewegungen, die ich da mitunter auf der Bühne mache, stehen sicher in keinem Lehrbuch.“ Ein bemerkenswertes Zitat, das sicher auch gerne mit dem Ruf kokettiert, der Schlagzeugern, ähnlich wie Torhütern und Linksaußen im Fußball, bisweilen vorauseilt. „Ja ja, ich gebe es gerne zu“, bestätigt Müller lachend, „ich hatte schon immer ein Faible für Musiker, die ein bisschen anders sind als die anderen Kinder. „Ein Drummer ist für meinen Geschmack dann gut, wenn er originell ist, sich sein Charakter im Spiel spiegelt. Dabei dürfen gerne Regeln gebrochen werden.“ Mit Leidenschaft und Begeisterung selbstverständlich, mag man augenzwinkernd anfügen. Diese Attitüde greift übrigens auch in dann doch eher technischen Themenwelten, die Moritz Müller nicht nur theoretisch sehr gerne diskutiert, sondern auch praktisch lebt. Mit The Intersphere wurde für die jüngsten Aufnahmen im Studio viel geschraubt und getüftelt und gewerkelt und bespielt, etwa Vintage Synties oder ein alter KORG MS 20. Dass die Energie der Platte gerne und oft öffentlich hervorgehoben wurde, ist allerdings nicht nur diesen „exotischen Instrumenten“ zu verdanken, sondern auch der zuletzt international immer beliebteren Umsetzung eines Liverecordings, mit Konsequenzen für das Spiel von Moritz Müller. „Für mich hieß das, auch im Studio so reinzuhauen wie ich es live tue. Alleine die Tatsache, dass man als Band in einem Raum steht, verleitet dazu, auch wie bei einem Konzert mit großer Energie zu spielen.“



Der akustische Schlagzeuger & die Wavedrum

Energie gilt es auch mit Hilfe der richtigen Hardware zu bündeln, zu kanalisieren, konservieren. Moritz Müller wird neben KORG von gleich mehreren namhaften Firmen unterstützt. „Das ist reinster Luxus, den ich sehr schätze. Natürlich bekommst du mit Talent und der richtigen Einstellung aus jedem Set etwas Brauchbares heraus, prinzipiell kann man auch auf einem Mülleimer so spielen, dass es groovt. Aber vielleicht passt der Vergleich mit einem Sprinter: Nimmt man ihm seine Schuhe, wird er trotzdem noch überdurchschnittlich schnell laufen, allerdings keinen Rekord mehr brechen.“ Auf dem Weg zu diesem höchsten Niveau ergänzt Moritz Müller sein Set mit der KORG Wavedrum, durchaus erwähnenswert für einen überzeugten akustischen Drummer. Der nimmt allerdings in Sprintertempo Abstand von derlei Kategorisierungen. „Natürlich bin ich ein rein akustischer Schlagzeuger, aber das Tolle an der Wavedrum ist ja gerade, dass ich sie wie ein akustisches Instrument spielen kann. Das Spielgefühl ist durch die eingebauten Tonabnehmer und die feinen dynamischen Abstufungen der Sounds wirklich real. Ich drehe an den vier Rädchen, der Sound verändert sich immer und ein Klang ist abgefahrener als der andere. Ich könnte da Wochen dran sitzen und Spaß haben.“ Leidenschaft, Begeisterung, Spaß! Dass sich dieser junge Mann erfolgreich durchs Musikantenleben trommelt, ist folgerichtig, aber wann war nochmal ein Mann ein Mann?